DrachenHatz
Ferienhäusern so abenteuerlich zugeht oder bei Dänen generell dazugehört.« Er war doch schließlich Ingenieur. So etwas musste ihn doch interessieren. Tat es nicht.
»Lass das«, beschied er mir knapp.
»Was denn?«
»Diese Witzeleien. Es ist überhaupt nicht angebracht. Merkst du das nicht?«
Doch, klar. Aber wusste er vielleicht einen besseren Weg? Ich seufzte tief, herzergreifend und ziemlich demonstrativ. Doch Nachgeben kam nicht infrage. Als was hatte Harry mich bei einer anderen Gelegenheit einmal bezeichnet? Als stinkendes altes Muli. So stur sei ich. Tja, ich schätze, da hatte er wohl recht. »Gut, dann fahre ich wirklich allein. Es ist ja nur eine Stunde. Und mir helfen sie bestimmt bei Gretas Mutter. Denn ob du es nun hören willst oder nicht, Thomas, die Frau hält mit irgendetwas hinter dem Berg, davon bin ich überzeugt. Und dies ist nun mal meine Chance, ihr Vertrauen zu gewinnen. Außerdem bin ich nicht der Typ, der im Urlaub nur seinen Kopf ausschalten will.«
»Also gut«, knurrte er hörbar gereizt. »Du hast gewonnen.« Aber danach sei ein für alle Mal Schluss mit der Schnüffelei. Er wolle seinen Urlaub genießen und sich nicht mit Sachen herumschlagen, die sowieso witzlos seien. Er habe Almuth Pomerenke zwar nie kennengelernt, doch ganz sicher müsse es auch noch andere Möglichkeiten geben, diese alte Frau zum Reden zu bringen, als sich ausgerechnet die paar hart verdienten freien Tage zu ruinieren. Zudem würde uns das dänisch-deutsche Ehepaar überhaupt nicht kennen, ergo gar nicht auf uns warten. Wir bräuchten uns da also keinesfalls blicken zu lassen, dies sei einzig und allein eine Marotte, ein Spleen von mir. Aber darum gehe es bei der ganzen Sache ja sowieso.
Ich fand ihn engstirnig, er hielt mir vor, nicht loslassen zu können. Er brachte »den Gierke« ins Spiel, der so etwas bestimmt mit sich machen lasse, weil er genau so gern Detektiv spiele wie ich; ich erwiderte, dass wir bei dieser Entwicklung heilfroh sein könnten, dass seine Tochter zu Hause geblieben sei. Und dies nach fünf Tagen. Irgendetwas lief da tierisch schief mit uns.
Die Eltern wohnten bei Hvide Sande, einem kleinen Fischereihafen, der auf einer Landzunge zwischen Nordsee und Ringkøbing Fjord liegt. Wir fuhren gleich am nächsten Morgen los, bummelten, wie es sich für anständige Touristen gehört, zunächst durch den Ort und kauften als Erstes eine wunderschöne Meerforelle mit blitzblanken Äuglein und dunkelroten Kiemen, was beides anzeigte, dass sie ganz frisch war. In Butter gebraten, mit Zitrone und etwas Meersalz – der Abend war damit zumindest kulinarisch gerettet.
Das Haus der Svenekes fanden wir ohne große Probleme. Es war hellgelb gestrichen und nicht rot-weiß, was vielleicht als Zeichen für ein deutsch-dänisches Multikulti interpretiert werden konnte. Das Grundstück wirkte gepflegt, aber nicht übermäßig. Hier stand eine Gießkanne herrenlos herum, dort lehnte ein abgebrochener Spaten an einem Schuppen, den ein älterer Mann mit einem Pinsel und besagter hellgelber Farbe bearbeitete. Wir parkten und stiegen aus.
»Und was jetzt?«, murmelte Thomas an meiner Seite. »Wie willst du vorgehen?«
Gute Frage. Doch sie erübrigte sich, denn in diesem Moment drehte sich der Maler um, nahm das deutsche Nummernschild wahr und wuchtete sich ächzend vom Hocker hoch. Mit ausgestreckter Hand und einem herzlichen Lächeln auf dem knittrigen Gesicht kam er auf uns zu. »Ich bin Anders Sveneke«, stellte er sich auf Deutsch vor. »Karen hat euch schon angekündigt.«
»Hanna Hemlokk.« Ich nahm seine Hand und schwenkte sie kräftig. »Und das ist Thomas Breitschedt.«
Er nickte. »Dann kommt mal herein. Lisl, der Besuch ist da!«
Er stakste voran, während in der Tür eine alte Frau mit Schürze erschien. Lisl. Ich schätzte sie auf etwa achtzig. Wir begrüßten uns, sie legte die Schürze ab und führte uns durch ein behaglich eingerichtetes Wohnzimmer in einen ebenso behaglich eingerichteten Wintergarten. Ich schaute mich unauffällig um. Kein Unterschied zu einem treudeutschen Heim. Lisl und Anders fühlten sich offenbar genauso wohl inmitten von Billy-Regalen wie Hans und Grete in Dithmarschen. Und wieso auch nicht? Hier gehörte das schließlich hin.
»Kaffee?«, unterbrach Lisl meine profunden Gedanken.
»Oh ja, bitte gern, wenn es nicht allzu viele Umstände bereitet«, antwortete ich höflich.
Lisl griente, bevor sie versicherte, dass es dies keineswegs tue und verschwand in der
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