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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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breites Gesicht, das ein bisschen an den Schrotthändler Mads Madsen in dem Olsenbandefilm von gestern Abend erinnerte. Jetzt jedoch waren sichtlich sämtliche Jalousien heruntergegangen.
    »Aber –«
    »Na, siehst du«, fuhr Thomas mir brachial in die Parade, »es gibt nichts. Komm, lass uns gehen.«
    »Nej«, sagte ich bestimmt und fixierte dabei das Kleeblatt hinter dem Tresen. »Keinerlei Informationen. Ist das wahr? Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen. Das Lager muss doch ziemlich groß gewesen sein.«
    »Wir haben keine.« Das kam von der Raspelfrisur und war so abweisend gemeint, wie es sich anhörte. Die Siebzehnjährige kicherte nervös und schielte zu der zweiten älteren Frau hinüber, die dem Wortwechsel ruhig lauschte.
    »Aber sonst gibt es schon welche?«, hakte ich nach.
    »Ja. Aber nicht viel«, meinte die Breitgesichtige. »Es war eine schwierige Zeit damals.« Das ließ sich wahrlich nicht leugnen.
    »Dänemark hat die Deutschen immer gut behandelt und ihnen genug zu essen gegeben. Niemanden hat man sterben lassen«, stieß der Fast-Haarlose jetzt erbittert hervor. »Alles andere sind doch nichts als Lügen und Gräuelgeschichten, die man nicht glauben darf. Die reinste Propaganda von interessierter Seite.«
    »Ach so«, murmelte ich perplex. In welches Wespennest hatte ich denn hier gestoßen? Ich schüttelte Thomas ab, der unauffällig an meinem Ärmel zupfte und dabei gut hörbar für uns alle flüsterte: »Komm, wir gehen besser.«
    Das taten wir garantiert nicht! Erst wollte ich wissen, was hier lief.
    Und dann fiel es mir wieder ein. In den letzten Jahren hatte es im Fernsehen etliche, von Dänen selbst gedrehte Reportagen gegeben, in denen die Vergangenheit nicht verklärt und rosig dargestellt wurde, wie man es bis dahin gewohnt gewesen war. Nein, die Filmemacher hatten eine bewusste Vernachlässigung der deutschen Flüchtlinge aufgedeckt und ihren Landsleuten vorgeworfen. Und dies war, wenn ich mich recht erinnerte, noch eine der schwächeren Anklagen gewesen. Gewundert hatte mich das damals nicht allzu sehr, daran entsann ich mich jetzt ebenfalls. Die Wut auf die Deutschen und ihre größenwahnsinnige, menschenverachtende Kriegstreiberei hatte bei so manchem dazu geführt, dass das Gefühl, jetzt gefahrlos Rache nehmen zu können, übermächtig wurde. In anderen Staaten war es doch ähnlich gewesen. Die hatten ihr moralisches Waterloo, das heißt die offene Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, auch erst seit ein paar Jahren hinter sich.
    »Darf ich fragen, weshalb Sie sich für Morø interessieren?«, mischte sich in diesem Moment die zweite ältere Frau ein. Ihr Ton war ruhig und höflich. Es war eine Frage, kein Angriff. »Haben Sie persönliche Gründe?«
    »Nein«, gab ich ehrlich zu. »Nicht so, wie Sie wahrscheinlich vermuten. Es ist etwas komplizierter, aber ich bin nicht aus Sensationshascherei hier oder weil ich … äh … also Dänemark etwas vorwerfen will …«
    »Das ist sowieso alles blanker Unsinn«, schnaubte die Raspelfrisur.
    Ich tauschte einen verständnissinnigen Blick mit meinem Gegenüber, das daraufhin in eine große Tasche abtauchte. Wir warteten in angespannter Haltung. »Hier.« Sie hielt mir mit ernstem Gesicht eine Visitenkarte hin. »Das ist die Adresse meiner Eltern. Mein Vater ist Däne, meine Mutter Deutsche. Sie haben sich in Morø kennengelernt.«
    »Nein«, sagte Thomas. »Auf keinen Fall. Der Besuch in der Touristeninformation war schon peinlich genug. Und außerdem will ich von dieser schlimmen Zeit nichts mehr hören. Ich habe Urlaub.«
    Schlimm? Als ob man das »Dritte Reich« samt Zweitem Weltkrieg darauf reduzieren konnte. Ich schluckte, während ich meinen Liebsten über die Kaffeetasse hinweg fixierte. Widerspenstig bis halsstarrig nannte man diesen verkniffenen Gesichtsausdruck wohl. Da hatte er Pech, das konnte ich auch.
    »Dann gehe ich allein.«
    Er seufzte. »Das tust du doch nur, weil ich mich weigere. Sonst würdest du die Eltern nicht besuchen wollen.«
    Würde ich doch!
    Wir saßen auf unserer Terrasse. Das Bad im Meer, den anschließenden Spaziergang sowie das folgende Programm hatten wir bereits ausfallen lassen, und ich litt, wenn ich ehrlich war.
    »Nimm es doch einfach als Einladung in ein dänisches Zuhause, Thomas«, bat ich leise. Und dann kam mir eine wahrhaft zündende Idee. »Guck dir die Steckdosen, Schalter und Stromkabelverlegungsgewohnheiten dort an. Dann wissen wir endlich, ob das lediglich in

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