Drachenkaiser
aus dem Zimmer nebenan. In der Ecke brodelte ein Samowar vor sich hin.
Silena setzte sich, der Mann bot ihr erneut Tee an, was sie ablehnte. Jetzt wird es spannend. Der Triglav ist doch nichts weiter als ein verbranntes Grab. Da sie unglaublichen Hunger verspürte, nahm sie die Kekse in Beschlag. »Was ist geschehen?«
»Unschönes.« Vatjankim ging zum Samowar, goss sich tiefbraune, kräftige Teebrühe aus der kleinen Silberkanne zur Hälfte in die Tasse und füllte den Rest mit heißem Wasser aus dem Kessel auf. Danach gab er viel Zucker und Milch hinein und kehrte an den Tisch zurück. »Sie wissen, dass wir den Berg und das Gebiet drum herum gesperrt haben.«
»Weil der Zar fürchtet, dass der Weltenstein nicht vernichtet ist«, ergänzte sie und aß einen weiteren Keks. Die andere Hand wollte die Silbermünze aus der Tasche ziehen, um die glänzende Scheibe auf den Knöcheln entlangwandern zu lassen, doch sie ließ es bleiben. Sie richtete ihre gesamte Aufmerksamkeit auf den Mann. Vielleicht wollte er sie nochmals auf die Probe stellen, ob sie ihm vorhin die Wahrheit gesagt hatte. Sei wachsam! »Glauben Sie mir, Vatjankim, die Hitze der Bomben hat sicherlich ausgereicht, das Artefakt zu verbrennen. Das Material hält nicht allzu viel aus.«
Vatjankim zog seine Fellmütze ab. Kurzes schwarzes Haar kam zum Vorschein, das im Nacken stark ausrasiert war; den linken Seitenscheitel gab es fast nicht mehr. Er knöpfte sich den Mantel auf, darunter trug er ein schwarzes Jackett und ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte.
»Was ich Ihnen nun sage, sollten Sie für sich behalten, Gaspascha Zadornova. Sie als Aussteigerin beim Officium Draconis…«
Nicht die Ochrana auch noch! »Woher wollen Sie das wissen?«
»Machen Sie Scherze? Wer Sie sieht und die Bilder von Großmeisterin Silena, muss nicht mal beim Geheimdienst arbeiten, um daraus die korrekten Schlüsse zu ziehen.« Vatjankim tunkte ein Plätzchen in den Tee. »Wir nehmen an, dass es sich bei dem Weltenstein um einen bearbeiteten Drachenstein handelt, was wiederum nichts anderes als das Magieorgan eines sehr alten Drachen ist.« Er sah sie an, als wollte er ihre Zustimmung und damit die Bestätigung von einer Expertin hören.
»Da sollten Sie das Officium befragen«, gab sie gleichmütig zurück. Aber recht hat er dennoch.
»Und wer von denen sollte mir Antworten geben?« Vatjankim lächelte kaum merklich. »Sagen wir einfach, es ist so. Und dass dieses Magieorgan seine Macht mit dem Tod des Trägers nicht vollständig verliert.«
Silena spielte die Ungläubige. »Vatjankim, Sie wollen mir allen Ernstes sagen, dass die Ochrana und der Zarewitsch an das Übernatürliche glauben? Hat Houdini nicht bewiesen, dass Séancen und Ektoplasma reine Erfindungen von Schwindlern sind?« Sie wusste es selbstverständlich besser.
Er aß den Keks langsam, als brauche er Zeit zum Nachdenken. »Was nicht heißt, dass diese Kräfte nicht existieren. Wir wussten, dass das berühmte Medium Arsénié Sàtra manche Dinge für die Sûreté überprüfte. Mit nachweisbarem Erfolg, wohlgemerkt. Warum sollte sich die Ochrana an einem solchen erfolgreichen Modell nicht ebenfalls versuchen? Wir haben aus den Vorfällen am Triglav gelernt.«
»Dann anscheinend nicht genug, Vatjankim.« Silena schnappte sich den letzten Keks, bevor er ihn sich greifen konnte. »Die sind sehr lecker.«
»Ich werde es meiner Frau ausrichten. Sie freut sich bestimmt über das Lob.« Er blinzelte und lehnte sich zurück. Anscheinend wurde er aus ihr nicht schlau, was sie freute und beruhigte. Sie wollte für ihn die Witwe bleiben. Das Thema, das er anschnitt, bot die gute Gelegenheit, von Grigorij abzulenken. »Drachensteine wurden schon früher gefunden und galten als Heilmittel. Sie waren immer sehr beliebt. Dass sich das Officium per Gesetz alle Drachenteile gesichert hat, offenbart, dass man auch dort an Drachensteine glaubt.«
»Johann Leopold Cysat, 1661, Reiskius, 1688, und Konrad von Megenberg um 1350«, sagte Silena, die beschlossen hatte, ihre Zurückhaltung aufzugeben. Da Vatjankim so weit ausholte, wollte er sie auf etwas Bestimmes vorbereiten. Etwas Unschönes, wie er es genannt hatte. »Sie haben Drachensteine beschrieben. Sätra hatte die Meinung vertreten, es handele sich bei den Drachensteinen um eine Art Katalysator, welche die Magie eines Wesens zu bündeln vermögen.«
Vatjankim grinste wissend. »Schön, dass Sie mir doch zustimmen, Gaspascha Zadornova.«
»Und was hat das mit
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