Drachenkampf
hereingebrochen war, auch gewesen sein mochte, es hatte sich lediglich als kurze Atempause entpuppt. Die Hitzeperiode ging weiter, und nach ein paar Tagen war sie zu einer Qual geworden, die zusätzlich zu den schwer erträglichen Temperaturen auch noch Gestank und Krankheiten mit sich brachte. Paris war eine Kloake. Unter einer gnadenlosen Sonne verschmutzte ekelerregender Schlamm die Stadtgräben. Der Pferdemist sammelte sich und briet an den Stalltüren vor sich hin. Vor den Fleischereien trocknete das Blut auf dem Pflaster. In den Bottichen der Latrinen goren die Exkremente vor sich hin. Dieser pestilenzialische Gestank bereitete allen Kopfschmerzen, und bei den Geschwächten verursachte er Atembeschwerden. Das einzige wirksame Mittel dagegen war die Flucht. Bald würden die Wohlhabenden, wie jedes Jahr um diese Jahreszeit, die Hauptstadt verlassen. Es war an der Zeit, seine Angehörigen aufs Land zu schicken oder mit der ganzen Familie samt Gepäck und Dienerschaft irgendwohin in die Sommerfrische oder ins Ahnenschloss umzuziehen. Der König machte es vor und verließ den Louvre für den Zeitraum, in dem man dort die Wassergräben reinigte. Und der gesamte Hof folgte, während sich die Pariser damit begnügen mussten, sich in ihren Wohnstätten zu verkriechen, die kaum eine bessere Atmosphäre boten als in der verpesteten Luft draußen, und den Sonntag herbeizusehnen, an dem man endlich aufs Land fahren und durchatmen konnte.
»Es tut mir aufrichtig leid, Monsieur, aber ich habe nur ein paar Augenblicke für Euch Zeit. Die Herzogin wartet bereits in ihrer Kutsche auf mich, um mich zum Louvre zu bringen und …«
Laincourt drehte sich um und erblickte Aude de Saint-Avold, die entzückender als je zu ihm trat, in einer Robe, die er noch nicht an ihr gesehen hatte. Er fand sie absolut hinreißend, wagte jedoch nicht, ihr das zu sagen. Aber irgendetwas musste ihn verraten haben, denn sie verstummte, lächelte und wurde rot, und ihre grünen Augen strahlten vor Freude.
Einen kurzen Moment lang vereinte sie das Schweigen, und Laincourt widerstand dem Verlangen, ihre Hände zu ergreifen.
»Ich weiß, dass Ihr heute bei Hofe eingeführt und morgen in den Hofstaat der Königin aufgenommen werdet. Doch zuvor wollte ich Euch noch einmal sehen und Euch meiner Freundschaft versichern.«
»Danke, Monsieur. Ich danke Euch von ganzem Herzen.«
»Mir ist auch daran gelegen, Euch noch den Ratschlag zu geben, vorsichtig zu sein. Der französische Königshof ist nicht der Hof von Lothringen. Eure Position im Kreise der Königin wird Euch zu vielen Freundschaften verhelfen, aber nehmt Euch vor falscher Freundlichkeit in Acht, misstraut den Heuchlern wie den Ehrgeizlingen, lernt Berechnung zu durchschauen und haltet Euch vor allem aus Ränkespielen heraus.«
Er bemerkte, dass er ihre Hände doch ergriffen hatte, und sie hatte sie ihm nicht entzogen. Sie blickte ihn aufmerksam an, überzeugt und gerührt von seiner Aufrichtigkeit.
Er verstummte, ohne ihre Hände loszulassen und ohne, dass sie sie wegzog.
Bis ein Räuspern zu hören war: Die unglückselige Madame de Jarville suchte ihre Nichte.
Flink und beglückt und mit einem seidigen Rascheln eilte Aude de Saint-Avold davon. »Auf Wiedersehen, Monsieur! Bis sehr bald!«
Er antwortete nicht, überzeugt davon, dass das Leben sie gerade auseinandergetrieben hatte.
Von Ivry kommend, erreichten Leprat und Mirebeau Paris über den Faubourg Saint-Michel . Sie ritten Seite an Seite im Schritt und unterhielten sich freundschaftlich.
Die letzten Tage, die sie bei Mirebeau verbracht hatten, hatte sie einander nähergebracht. Am Tag nach der denkwürdigen Nacht, in der Leprat sein Leben riskiert hatte, um ihn zu befreien, hatte Mirebeau ihm feierlich und aufrichtig die Freundschaft angeboten. Da es seiner Mission nutzte, hatte sich Leprat zunächst nur darüber gefreut, dass er das Vertrauen des Agenten der Herzogin von Chevreuse gewonnen hatte. Doch dann begann er, ihn wahrhaft zu schätzen.
In Wahrheit waren sich die beiden Männer sehr ähnlich. Sie waren ungefähr gleich alt, stammten aus gutem Hause und waren beide älteste Söhne. Sie hatten beide eine militärische Vergangenheit, und wenn das Leben ihnen auch bereits viele Illusionen geraubt hatte, so waren sie dennoch bemüht, sich wie Edelmänner zu verhalten. Eines Abends, bei einer Flasche Wein, hatten sie sich gegenseitig anvertraut, dass sie beide die Gelegenheit zum Liebesglück verpasst hatten, und beide wussten und
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