Drachenkampf
dann bleib eben hier. Aber ich …«
»Nein.«
»Und seit wann hast du mir Befehle zu erteilen?«
Zur Antwort zog der Spanier seinen Degen.
»Du machst Scherze.«
»Nein.«
Marciac machte einen Schritt nach hinten und schob die Schultern zurück, mit der überraschten Miene eines Schufts, dessen Ehrenhaftigkeit man in Zweifel zieht. Es kam ihm in den Sinn, dass La Fargue sie nicht ohne Hintergedanken gemeinsam zurückgelassen hatte, sondern damit Almadès ein Auge auf ihn, Marciac, hatte.
»Würdest du wirklich den Degen gegen mich einsetzen?«
»Ja.«
Zu Hause blickte Laincourt aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen.
Er dachte nach, und langsam wurde das blutverschmierte Gesicht des Leierspielers in der Fensterscheibe sichtbar – über seiner rechten Schulter, als würde sich der Alte ihm von hinten nähern.
Du denkst an diese kleine Hübsche, nicht wahr, mein Sohn?
Ihr Name ist Aude.
Ich habe den Eindruck, sie entspricht deinem Geschmack.
Das könnte man sagen, ja.
Wenn sie dir so wichtig ist, dann hast du ohne Zweifel recht daran getan, sie vor den Gefahren bei Hofe zu warnen. Aber … aber vielleicht solltest du dich auch vor ihr in Acht nehmen …
»Mich vor ihr in Acht nehmen? Und warum?«, fragte Laincourt laut. »Inwiefern?«
Ohne nachzudenken, drehte er sich um.
Da fiel ihm wieder ein, dass er ja allein war.
Mitternacht.
Die Nacht war noch lau, als La Fargue auf den Pont-Neuf kam. Paris war in undurchdringliche Dunkelheit getaucht, in der hier und da, entfernt und schwach, vereinzelte Lichter funkelten. Es herrschte tiefe Stille. Nur die schwarzen, niedrigen Wasser der Seine waren zu hören, die unter den großen Steinbögen der Brücke plätscherten.
Wie vereinbart, hielt La Fargue vor der Wyvernenstatue aus Bronze.
Diese Statue erhob sich am äußersten Ende der Île de la Cité , dort, wo die zwei Hälften des Pont-Neuf aufeinandertrafen, an der Mündung zur Place Dauphine . Sie stellte eine Wyverne mit ausgebreiteten Flügeln dar, auf einem Sockel aus Marmor, und bewachte den Eingang zu einem von einer Balustrade eingefassten Vorsprung, der – flussabwärts blickend – die Seine überragte. Obwohl sie gesattelt und gezäumt dargestellt war, hatte die Wyverne keinen Reiter. Doch das war nicht ihr einziges Ungemach. Als ein Geschenk des Großherzogs der Toskana an Maria de’ Medici nach dem Tode von Henri IV. war sie vor der Küste Sardiniens mit dem Schiff, das sie transportierte, gesunken. Nachdem sie ein Jahr später geborgen worden war, hatte sie im Jahre 1614 ihren Platz auf dem Pont-Neuf eingenommen, doch 1633 wartete sie noch immer auf ihren Reiter, abgesehen von gelegentlichen Trunkenbolden und Spaßvögeln.
La Fargue ging an der Statue vorbei.
Auf die Brüstung aufgestützt, wartete dort ein Edelmann auf ihn, der die Spiegelungen des Monds und der Sterne betrachtete, die auf der pechschwarzen Seine tanzten. Er trug einen Hut mit Federbusch, den Degen an der Seite und einen schwarzen Mantel über einem Wams in einem sehr hellen Grau, mit weißen Einsätzen und durchwirkt von Silberfäden. Er schien um die dreißig zu sein, obschon sein Haar bereits die Farbe von Schiefer hatte. Er war groß und schlank – ein ziemlich schöner Mann mit Augen, deren blasse Iris von einer dunklen Borte umgeben war.
La Fargue blieb stehen. »Wer seid Ihr?«, fragte er vorsichtig.
»Ich bin derjenige, den man Euch schickt«, antwortete der andere ruhig.
»Ich kenne Euch nicht.«
»Es steht Euch frei, wieder zu gehen.«
Der alte Hauptmann dachte kurz nach, dann sagte er: »Euer Name?«
»Valombre.«
»Steht Ihr im Dienste der Sieben?«
Der Edelmann lächelte. »Ich diene ihnen.«
»Und seid Ihr …«
»… ein Drache? Ja. Aber wenn Ihr nicht in der Lage seid, eine Burgschwester aus dem Ärmel zu zaubern, müsst Ihr wohl auf mein Wort vertrauen.«
Der Scherz rang La Fargue kein Lächeln ab. Stattdessen betrachtete er den besagten Valombre, bevor er sagte: »Ich glaube Euch.«
»Recht so. Wenn wir also zum Punkt kommen wollen, Monsieur?«
Der Hauptmann der Klingen nickte. »Ich bin besorgt«, gab er zu. »Rocheforts Männer sind meiner Tochter auf der Spur. Ist sie auch wirklich in Sicherheit?«
»Das kann ich Euch versichern. Eurer Tochter geht es hervorragend, und sie ist selbst für des Kardinals beste Agenten unerreichbar.«
»Und die Schwarze Kralle?«
»Für die gilt das Gleiche.«
»Aber ihre Möglichkeiten sind unerschöpflich.«
»Unsere sind auch nicht zu verachten.
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