Drachenkampf
der plötzlichen Helligkeit aus der hinteren Ecke der düsteren Kammer anblinzelte.
»Guéret?«
»Ja. Beeilt Euch!«
Während er Mirebeau aufmunternd herbeiwinkte, spähte er bereits in den Gang hinaus.
»Teufel eins! Und ich dachte schon, Ihr hättet Euch aus dem Staube …«
»Ich bin ja nicht Rauvin. Aber nun kommt!«
Der Edelmann mit dem beigen Wams trat gerade aus dem Zimmer, als Rochefort auftauchte, den diese Wache, die es vielleicht ein bisschen zu eilig hatte, die Treppe hinaufzugehen, stutzig gemacht hatte.
»Wachen zu mir!«, brüllte er sofort von der Galerie herunter. »Hierher!«
Leprat feuerte in die Richtung des Grafen Rochefort, zielte jedoch absichtlich zu hoch. Die Kugel drang in einen Balken, doch der andere wich zurück, und das war alles, was der Musketier hatte bewirken wollen. Er zog Mirebeau hinter sich her in das nächstbeste Zimmer, und die beiden Männer schoben von innen ein Bett vor die Tür, bevor Leprat zum Fenster eilte und hinausspähte. Es führte auf einen Teil des Dachs, über den die Flüchtigen entwischen konnten, bevor die Tür aufgebrochen wurde.
»Zu den Ställen!«, rief Leprat. »Wir brauchen Pferde, das ist unsere einzige Chance.«
Mirebeau nickte.
Wenige Augenblicke später, gerade als Rochefort mit einigen Gardisten in den Hof gestürmt kam, jagten Leprat und Mirebeau bereits im Galopp aus dem Stall. Dabei ließen sie auch alle anderen Pferde frei, die sich noch darin befanden. Sie gaben ihren Tieren die Sporen, schrien wie die Teufel und verursachten ein riesiges Durcheinander, das noch verschlimmert wurde durch die Musketenschüsse, die Rochefort auf sie abfeuern ließ. Dazu erklang das wütende Geschrei der Soldaten und Offiziere, die ihre Pferde durchgehen sahen, und den Zorn derjenigen, die noch immer im Saal festgehalten wurden. Er entlud sich nun auf die Wachen, die sich ihnen entgegenstellten.
Leprat und Mirebeau hingegen schlugen den kürzesten Weg ein. Als sie schnurstracks auf das Tor zugaloppierten, übersprangen sie das Podest mit den Musikern und rissen dabei eine Schnur mit, an der Laternen hingen. Diese enthielten kleine Öllampen, die beim Herunterfallen zerbrachen. Sie wurden funkensprühend hinter den beiden Reitern hergezogen und versetzten die Pferde in solchen Schrecken, dass sie kein Hindernis scheuten und schließlich ihren Weg durch das Tor in die Freiheit fanden.
Im gestreckten Galopp verschwanden die Flüchtigen in die Nacht und ließen ein wahres Chaos hinter sich zurück, in dem Menschen wie Tiere panisch zwischen vereinzelt auflodernden Flammenherden hin und her wuselten.
4
A ls Marciac ihn darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass Rochefort – was so viel hieß wie der Kardinal – seiner Tochter auf der Spur war –, hatte La Fargue seine Sorge noch in Schach gehalten. Doch bei Anbruch der Nacht zog er sich in sein Zimmer zurück, verriegelte sorgfältig die Tür und entzündete mit der Glut, die er mit hinaufgenommen hatte, ein paar Kerzen, die sein Zimmer in bernsteinfarbenes und rötliches Licht tauchten.
Er trug einen kleinen Schlüssel bei sich, von dem er sich niemals trennte. Damit öffnete er eine kleine Truhe, die zwischen seinen Kleidern versteckt war, und holte einen silbernen Spiegel hervor, den er vor sich auf ein Tischchen legte. Daraufhin sammelte er sich, schloss die Lider und murmelte mit leiser Stimme uralte Worte, in einer Sprache, die nicht von Menschen erdacht worden war.
Der kostbare Spiegel trübte sich wie eine Quecksilberlache, die von einem Atemhauch gestreift wird. Nun spiegelte er nicht mehr das Bild des alten, müden Edelmanns wider, sondern ließ das Antlitz dessen erkennen, der den Ruf erhörte. Der Spiegel log nicht. Er verriet die wahre Natur dessen, der ihn benutzte, und zeigte den Kopf eines weißen Drachen, der leicht durchscheinend darin auftauchte.
Es war derjenige, mit dem La Fargue sprach.
Aber er, was sah er?
»Ich muss einen der Sieben treffen«, sagte der Hauptmann der Klingen.
»Unmöglich«, antwortete der Drache. »Viel zu riskant.«
»Veranlasst das Nötige.«
»Nein.«
»Spätestens in drei Nächten.«
»Andernfalls?«
»Spätestens in drei Nächten. Zur vereinbarten Stunde am vereinbarten Ort.«
IV – Das Ritual von Dampierre
1
I m Louvre in einem Vorzimmer, dessen Tür Almadès unauffällig bewachte, stand La Fargue wartend an einem Fenster und sah hinaus. Er wartete auf Agnès, die drei Tage zuvor in den Hofstaat der Königin eingetreten und seither nicht
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