Drachenkampf
stibitzte unauffällig eine Halbmaske, die auf einer Fensterbank lag, setzte sie auf und mischte sich unter die Kurtisanen, die miteinander schwatzten, tranken und Leckereien knabberten, während sie die Tanzenden beobachteten, die, zwei und zwei, zum Klang des Orchesters eine anmutige Choreographie ausführten. Alle hatten den oberen Teil des Gesichts hinter einer Maske verborgen, doch während die der Männer relativ schlicht gehalten waren, waren die der Frauen – passend zu ihrer restlichen Garderobe – Schwelgereien aus Brokat, Gold und Silber, Federn und Bändern, Perlen und Juwelen. Aufs Vorzüglichste herausgeputzt, bot der Hofstaat an jenem Abend unter den Goldverzierungen von Dampierre ein prächtiges Schauspiel dar. Er versprühte nichts als luxuriöse Eleganz und heitere Sorglosigkeit, in völliger Ahnungslosigkeit der Gefahr, die da drohte.
Laincourt war auf der Suche nach Agnès.
Er entdeckte sie in der Nähe des Podiums, das dem Königspaar vorbehalten war. Aber nur die Königin saß dort noch auf ihrem Sessel. Unerreichbar. Sie war umgeben von Madame de Chevreuse und ihren Damen, die ihrem Rang entsprechend auf Stühlen, Schemeln oder Kissen saßen. Sie plauschten und amüsierten sich hinter vorgehaltenen Fächern, und die Jüngsten und Unbesonnensten zeigten sich gegenseitig die Kavaliere, die ihnen gefielen.
Unter den Tänzern war einer, der zahlreiche Kommentare hervorrief, die jedoch wenig schmeichelhaft waren. Es war der Marquis de Châteauneuf, der aus dem Augenwinkel beobachtete, ob die Herzogin von Chevreuse ihn auch bewunderte, und sich bei jeder Bewegung mühte, vorteilhafte Posen einzunehmen, Posen, die aufgrund seines fortgeschrittenen Alters jenseits der fünfzig und seiner Eitelkeit etwas lächerlich erschienen.
Als Agnès Laincourt erblickte, gesellte sie sich etwas abseits zu ihm, neben einem geöffneten Fenster, von dem aus man auf die Kanäle und den Renaissancegarten hinausblicken konnte, in dem Paare auf der Suche nach etwas Ruhe flanierten.
»Hat La Fargue es Euch schon gesagt?«, erkundigte sich der junge Mann.
»Ja.«
»Nun gilt es mehr denn je, dass Ihr die Königin nicht aus den Augen lasst.«
»Ich weiß.«
Eine Falle.
Das Fruchtbarkeitsritual, dem sich die Königin unterziehen sollte, war nichts anderes als eine Falle, die darauf abzielte, sie mit ihrem Einverständnis der ständigen Bewachung, der sie ausgesetzt war, zu entziehen. Die Ordensvorsteherin hatte also recht gehabt: Das Komplott bedrohte die Königin. Ein Komplott, an dem Madame de Chevreuse beteiligt war, in dem Glauben, den Interessen Annes zu dienen. Ein Komplott, das von der Schwarzen Kralle und dem Alchemisten geschmiedet worden war, dem Alchemisten, der sich als Zaubermeister bei der Herzogin eingeschlichen hatte. Ein Komplott, das letztendlich darauf abzielte, die Königin zu entführen.
Aber was sollte dann folgen?
»Es wird zweifellos noch heute Nacht vonstattengehen«, sagte Laincourt. »Und es kann nicht ohne bedeutende Komplizen gelingen. Da wäre natürlich die Herzogin. Aber auch die Mehrzahl der Gefolgsdamen, die die Königin sicher für ihre Sache gewonnen hat … Da Ihr nicht ins Vertrauen gezogen wurdet, wird man, wenn der Moment gekommen ist, bestimmt versuchen, Euch nicht im Weg zu haben. Ihr müsst Eure Augen überall haben. Und seht Euch vor.«
»Seid unbesorgt.«
»Marciac konnte Euch vorhin nirgends finden.«
Die Baronin dachte einen Augenblick lang nach. »Ja. Das muss gewesen sein, als ich die Schmuckschatulle der Königin geholt habe. Ihr Perlencollier ist gerissen, kurz nachdem sich der König in seine Gemächer zurückgezogen hatte.«
»Und die Königin? Wo befand sie sich währenddessen?«
»Sie wartete im Vorzimmer, bis ich zurückkam, um ihren gesamten Schmuck auszutauschen.«
Laincourt nickte abwesend und sah unauffällig zur Königin und ihrer Entourage hinüber. Dann zog er die Augenbraue hoch. »Ich kann Aude de Saint-Avold nirgends entdecken«, sagte er.
Agnès wandte sich zu der Gruppe der Hoffräulein und ihrer Gouvernante um, die am Fuße des königlichen Podiums Platz genommen hatte. »Tatsächlich«, sagte sie.
»Wisst Ihr, wo sie sein könnte?«
»Nein.«
Der Spion war beunruhigt. Wenn Agnès – weil sie neu im Gefolge der Königin war – in dem Moment, da das Komplott umgesetzt wird, weggelockt würde, dann galt für Aude dasselbe.
Auch die Königin war maskiert.
Ohne sich vorzusehen, schaute Laincourt genauer hin …
… und erkannte das
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