Drachenkampf
wieder, wo er André und Ballardieu beim Satteln zweier Pferde half. »Wir sollten uns beeilen«, sagte sie. »Die Tore von Paris werden bald geschlossen. Braucht Ihr Hilfe?«
Wie dürftig die Stadtmauern und die schlammigen Gräben von Paris auch sein mochten, die Stadt war befestigt, und nachts blieben ihre Tore geschlossen. Natürlich verfügten die Klingen über Passierscheine, die von der Hand Richelieus unterschrieben waren. Aber sich ein Stadttor öffnen zu lassen, war nicht nur eine umständliche Angelegenheit, sondern auch immense Zeitverschwendung. Doch das Palais Épervier befand sich nun mal im Faubourg Saint-Germain , demnach also außerhalb von Paris, während der Zaubermeister Seiner Eminenz intra-muros wohnte.
Laincourt antwortete nicht, sondern hantierte einfach weiter herum, als habe er Agnès überhaupt nicht gehört. Schließlich sagte er ungerührt: »Würdet Ihr mir sagen, woran wir hier sind?«
Die junge Baronin wechselte einen betretenen Blick mit Ballardieu. Dann sagte sie sich, dass der frühere Spion des Kardinals zweifelsohne das Recht hatte, alles Grundlegende zu wissen. Sie seufzte resigniert und gab André und Ballardieu ein Zeichen, sie allein zu lassen. Sobald Laincourt und sie im Stall unter sich waren, sagte sie: »Stellt Eure Fragen. Ich werde sie beantworten, sofern ich dazu berechtigt bin.«
Laincourt beendete soeben das Satteln seines Pferds. Nachdem er einen letzten Gurt festgezogen hatte, richtete er sich auf und sah die Baronin an. »Was hatte das heute Nachmittag zu bedeuten?«, fragte er. »Wieso hat La Fargue so reagiert, als ich den Alchemisten erwähnte? Und warum haben daraufhin alle so besorgt geschwiegen?«
Agnès überlegte, wo sie beginnen sollte. »Was wisst Ihr über Vicarius, Monsieur?«
Laincourt verzog das Gesicht. »Ich weiß, was von ihm behauptet wird.«
»Und das wäre?«
»Dass er der älteste, listenreichste und gefährlichste Spion der Schwarzen Kralle sei. Im Grunde der Beste von allen. Aber von ihm ist allein der Name bekannt – Vicarius – was zweifellos nur ein Deckname ist. Man weiß weder, wie er aussieht, noch, wie alt er ist, und nicht einmal sein Geschlecht ist bekannt. Er soll mehr oder weniger an allen bedeutenden Verschwörungen und allen blutigen Revolten beteiligt gewesen sein. Doch auch wenn man ihn hinter alledem vermutet, wurde er noch nie dabei ertappt …«
»… sodass manche sogar an seiner Existenz zweifeln«, warf Agnès ein. »Ja, davon habe ich schon gehört … Aber seid auch Ihr einer dieser Skeptiker, Arnaud? Wenn ja, dann bitte ich Euch, Eure Meinung zu revidieren. Denn der Alchemist existiert bedauerlicherweise sehr wohl. Er wäre sogar einmal beinahe gefasst worden. Von uns, den Klingen. Auf La Fargues Initiative hin.«
Laincourt zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Das war mir nicht bekannt«, gestand er.
Das Gesicht der jungen Frau verfinsterte sich. »Das war vor fünf Jahren«, sagte sie.
Auf der Schuppeninsel war die Nacht bereits angebrochen, als Kh’Shak nach einer Stunde der Abwesenheit einen armseligen Hinterhof betrat und seine Soldaten vor dem verkommenen Haus vorfand, wo sie sich seit Tagen versteckt hielten. Die Schwarzdraqs, bewaffnet bis unter die Zähne, waren bereit für eine Expedition und konnten ihre Ungeduld nur schwer verbergen. Kh’Shak wunderte sich. Er hatte keinerlei Befehl in diese Richtung gegeben, bevor er sich auf die Suche nach Ni’Akt machte, den Jüngsten der Truppe. Seit sie in Paris waren, hatte dieser mehr als das erträgliche Maß an Erniedrigungen und Beleidigungen vonseiten der Älteren aushalten müssen. Selbst Kh’Shak hatte einen Moment lang befürchtet, dass er desertieren würde. Aber geleitet von den Gerüchten hatte er schon bald seine sterbliche Hülle gefunden – in einer Lache noch frischen Blutes – und war sofort zurückgekehrt.
Kh’Shak ging an seinen Männern vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Er betrat das Haus, ging eine faulige Treppe hinunter, die ihn in einen feuchten Keller führte, wo verlockender Aasgeruch in der Luft hing.
Ausgeweidete Tierkadaver lagen verstreut auf dem Boden aus gestampfter Erde herum. Es brannten gelbe Kerzen, die im Halbdunkel genauso viel Rauch wie Licht verbreiteten.
Kh’Shak hatte erwartet, seinen Saaskir im Schneidersitz am Boden in der Mitte des Raums vorzufinden. Doch der alte Draq mit den fahlen Schuppen saß auf einem Fässchen und war dabei, mit dem, was ihm noch an gelben Zähnen geblieben war,
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