Drachenkinder
die Feier weiter.
Dann, am späten Vormittag, würden die Brautleute zum Haus des Bräutigams nach Katachel Arab fahren. Zur Hochzeitsnacht.
Ich hatte zwar die ganze Hochzeit bezahlt – schließlich hatte ich das junge Glück zusammengebracht –, wurde aber im entscheidenden Moment von »Kandipil« zur Seite gedrängt: Das hier sei nichts für Fremde.
»Mensch, seid ihr blöd«, maulte ich und verzog mich in meine Bude, die von Dadguls Männern bewacht wurde. »Ich wollte ja überhaupt nicht spannen.«
Aber Kandigol und ein Dutzend weiterer Frauen, die sich jetzt als moralische Richterinnen aufspielten, sehr wohl. Eine WOCHE musste die arme Diana im Bett bleiben, nachdem das Laken auf ihre bisherige Unversehrtheit hin untersucht worden war. Denn DANN , so belehrt mich Dadgul, würde es ein Junge.
»Ach, Dadgul, das glaubst du ja selbst nicht«, winkte ich ärgerlich ab.
»Doch.«
»Da hat deine arme Mama Nigargh aber ganz schön Blasen am Hintern gehabt!«
»Na und? Hat sich doch gelohnt«, sagt Dadgul selbstverliebt.
»Na, die einen sagen so, die anderen so«, murmelte ich leise.
Nachdem Diana ihre Pflichten erfüllt hatte, kam sie kichernd in den Frauenhof, um die Hochzeits-»Nacht« zu schildern. Ich verstand zwar nicht alles, sah aber ihre Handbewegungen. Offensichtlich hatte der Bräutigam bei gewissen Idealmaßen nicht »hier« geschrien. Die Weiber kreischten vor Schadenfreude. Ich schüttelte den Kopf. Wie gemein war das denn? Sie benahmen sich wie im Kindergarten.
Eines wurde mir jedenfalls klar: Die Frauen waren nicht nur Opfer. Wenn ich mir »Kandipil« oder die anderen hier so ansah, würde ich sagen: ganz im Gegenteil!
Später sollte ich erfahren, dass Kommandante Dadgul frei nach Landherrenart zu Diana gefahren war, in der Auffassung, ein Schäferstündchen stünde ihm als Projektleiter wohl zu. Diana reagierte darauf ganz handfest mit einem Schlag mit der Suppenkelle. Ha, ha – gut gemacht!
29
Mit einer Frau, der etwas pummeligen Habiba, hatte ich mich ganz besonders angefreundet, denn sie war recht frei aufgewachsen und trauerte ihrer Jugend immer wieder nach.
»Ich würde so gern Fahrradfahren wie früher oder einfach draußen rumlaufen, aber das geht halt nicht. Ich fühle mich wie im goldenen Käfig«, sagte sie oft zu mir, wenn ich sie besuchte, um zu plaudern. Ja, sie hatte es wirklich nicht so leicht als Zweitfrau von Kommandant Hadji Haschem, dem hiesigen Polizeichef. Denn als Zweitfrau steht man immer unter dem Pantoffel der Erstfrau, die in der Hierarchie über der neuen Ehefrau steht.
Die erste Frau, Gol Dasta, gleichzeitig auch Hadji Haschems Cousine – übrigens die beliebteste Art, Kinder zu verheiraten, damit alles in der Familie bleibt –, hatte ihm vier Töchter und vier Söhne geboren, die teilweise erwachsen waren. Hadji Haschem und sie hatten schon früh geheiratet und ein typisches Landleben geführt. Gol Dasta war ungebildet, denn Mädchen schickte man dort nicht zur Schule, ihr Hauptziel war es, möglichst viele Kinder zur Welt zu bringen.
Habiba hingegen war aus der Stadt und hatte eine gute Schulausbildung genossen. Sie war sehr stark und selbstbewusst, als Hadji Haschem um ihre Hand anhielt. Er hatte einfach genug von seiner ungebildeten Ehecousine. Als es dann darum ging zu heiraten, stimmte auch die Erstfrau zu, aber nur unter mehreren Bedingungen. Eine davon war, dass sie gleichzeitig mit der neuen Frau schwanger werden wollte. (Der arme Haschem.) Aber es klappte: Sie bekam einen Sohn, Habiba ein Zwillingspärchen. Inzwischen hatte Habiba zwei Söhne und drei kleine Mädchen.
Da die Liebe ihres Mannes zu seiner ersten Frau völlig erloschen war, wohnte Hadji Haschem dauerhaft bei seiner Habiba, und die beiden hatten ein sehr harmonisches Verhältnis. Trotzdem wurden sie ständig von der Erstfrau und deren Kindern beäugt, die im Nebenhaus wohnten. Mit der Folge, dass ich keine Minute mit Habiba allein sein konnte:
»Ich habe ständig Bauchschmerzen, kannst du mir nicht helfen?«, fragte mich Habiba in regelmäßigen Abständen. Aber ich konnte auch nicht mehr tun, als als ihr zu raten, zum Arzt zu gehen. »Tu was für dich, mach mal eine Diät, damit du abnimmst, anschließend geht es dir bestimmt besser«, meinte ich zu ihr.
»Ob ich mir noch ein Kind anschaffen sollte?«, wollte Habiba von mir wissen. »Weißt du, die andere da drüben hat acht Kinder, da wäre es gut, wenn ich noch einen Sohn bekäme.«
»Bloß nicht, fünf sind doch genug. Und
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