Drachenklänge
klettere auf den Dachboden und wirf die Matratze herunter. Ich kümmere mich um das Feuer.«
Robs Bett war rasch gemacht, und dann lag er allein in dem großen Raum. Zu seiner Erleichterung wurden die Hunde für die Nacht in einen anderen Teil des Anwesens gesperrt.
Das Poltern der Holzscheite, die in den Kamin geworfen wurden, weckte ihn aus tiefem Schlaf. Rob sah, wie seine Gastgeberin den Topf mit Hafergrütze vom Herd nahm.
»Du willst sicher beim ersten Tageslicht aufbrechen, Harfner«, sagte sie. Rob fiel auf, wie leise sie sprach.
»Hat er seine schlechte Laune an dir ausgelassen?«
erkundigt er sich vorsichtig.
Verächtlich schnaubte sie durch die Nase, doch ihre Mundwinkel hoben sich zu einem feinen Lächeln.
»Er wird sich hüten«, erwiderte sie und schenkte ihm einen großen Becher Klah ein.
Das Getränk war sehr stark aufgebrüht, und durch die anregende Wirkung fühlte er sich sogleich belebt.
Kulla stellte für ihn eine Schüssel mit Hafergrütze auf den Tisch und schnitt Brot auf. Ein paar Scheiben wickelte sie in ein fadenscheiniges, aber sauberes Tuch.
»Dein Reittier steht im Stall. Wenn du aus der Tür trittst, wende dich gleich nach links«, erklärte sie.
Hastig verputzte er das Frühstück, weil er spürte, dass Kulla ihn gern los werden wollte, obschon ihre 288
Eile der Gastfreundschaft keinen Abbruch tat. In einer Hand das Tuch mit dem Brot, in der anderen die Gitarre, murmelte er ein paar Worte des Dankes und ging.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch die
Morgendämmerung reichte aus, um den Stall zu finden. Mittlerweile hatte er Übung darin, sein Reittier zu beladen, und nur Minuten später war er wieder unterwegs.
»Das sollte mir eine Lehre sein!« murmelte er im Gehen vor sich hin. »Harfner verbreiten nichts als Lü-
gen? Was hat er damit gemeint?«
Im Laufe des Vormittags überquerte er die Grenze zu Benden, und die folgende Nacht wohnte er in einer Kurierstation, wo man ihn freundlich willkommen
hieß.
Als er schließlich die Burg erreichte, wartete niemand auf ihn, um ihn in Empfang zu nehmen. Er stieg gerade die Treppe zum Hauptportal hinauf, als eine Gruppe Reiter eintraf. Einer davon war Raid, Lord Maidirs ältester Sohn.
»He da, Geselle wir haben dich schon erwartet«,
grüßte Raid. Er schwang sich von seinem Renner und warf die Zügel einem herbeieilenden Knecht zu.
»Raid, wie schön, dich wiederzusehen«, rief Robinton aufrichtig erfreut.
Raid spähte zu ihm herauf. »Kennen wir uns?«
»Ich bin Robinton. Der Sohn von Meistersängerin
Merelan«, erklärte Robinton verdutzt.
Doch Raid fing bei dieser Antwort an zu grinsen
und streckte ihm die Hand entgegen. »Na so was.
Ich hätte dich wirklich nicht erkannt. Aus dem dürren Bürschchen ist ja ein richtiger Mann geworden.«
Robinton schmunzelte vergnügt. Raid hingegen sah noch genauso aus, wie er ihn in Erinnerung hatte.
»Ich hab mir beim Wachsen auch große Mühe gegeben«, antwortete er.
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»Und nicht ohne Erfolg, wie man sieht«, erwiderte Raid in vollem Ernst. Robinton erinnerte sich, dass er absolut kein Gespür für Ironie besaß. »Komm rein und trink einen Becher Klah. Jetzt bist du natürlich auch alt genug für ein Glas Wein. Nach der Reise hast du eine Erfrischung nötig. Warst du lange unterwegs?«
»Ja, und dadurch habe ich erst erfahren, wie groß dieser Kontinent ist.«
»Er ist wirklich groß, nicht wahr?«
Robinton vergegenwärtigte sich, dass Raid sich während der letzten Jahre kein bisschen verändert hatte. Er war immer noch der biedere, bodenständige Sohn des Burgherrn. Obwohl im Grunde nichts gegen diese Cha-raktereigenschaften einzuwenden war, hielt Rob sich nüchtern vor Augen.
»Ich hoffe, deinem Vater und Lady Hayara geht es gut«, sagte Rob höflich.
»Mein Vater leidet in letzter Zeit sehr unter Gelenkschmerzen.« Raid furchte besorgt die Stirn. »Medika-mente verschaffen immer nur kurzfristig Linderung.«
Über die zweite Frau seines Vaters, Lady Hayara, verlor er typischerweise kein Wort.
Doch Lady Hayara war von der Ankunft des Reiter—
trupps alarmiert worden und segelte nun durch die Halle. Ihr Leibesumfang ließ darauf schließen, dass sie sich abermals im letzten Stadium einer Schwangerschaft befand. Sowie sie Robinton erkannte, setzte sie das liebenswürdigste Lächeln auf, das er sich nur wünschen konnte. Er merkte sofort, dass sie ihn von ganzem Herzen willkommen hieß, als zurückgekehr-ten Gast und als Harfner.
Wild drauflos
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