Drachenklänge
plappernd, was es ihr erlaubte, Raid lediglich mit einem knappen Nicken zur Kenntnis zu nehmen, rief sie nach einem Knecht, der Robs Packsäcke in sein Quartier bringen sollte, und dirigierte ihren Gast in die Halle, wo ein Imbiss serviert wurde.
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Sie ließ Stühle für sich und Rob bringen, entschuldigte sich für Lord Maidirs Abwesenheit und erzählte ihm, Maizella sei einem anständigen jungen Grundbesitzer versprochen, den sie demnächst ehelichen würde.
Überschwänglich beteuerte sie, wie glücklich sie über Robintons Ankunft sei, wie sehr sie sich darauf freue, endlich wieder neue Musikstücke zu hören, und dass ihr Robintons Lieder am besten gefielen, weil man sie so gut mitsingen könne, im Gegensatz zu anderen Werken, die den meisten Leuten ohnehin unverständlich blieben. Als sie merkte, was sie daherplapperte, fing sie an, Petirons Kompositionen zu loben, doch die Ehrlichkeit siegte, und sie gestand ein, sie könne mit diesen komplizierten Partituren nichts anfangen.
Während eine kurze Pause eintrat, weil Lady Hayara Atem schöpfen musste, warf Raid ein, er wolle Lord Maidir von Robintons Eintreffen in Kenntnis setzen und nachfragen, wann er dem Burgherrn seine Auf-wartung machen dürfe. Außerdem müsse man Harfner Evarel benachrichtigen, dass sein neuer Geselle angekommen sei.
Nachdem Lady Hayara Luft geholt hatte, erzählte
sie Robinton in aller Ausführlichkeit, wer derzeit in Burg Benden die Schule besuchte. In ihrer Freizeit half Maizella Harfner Evarel beim Unterrichten. Der alte Harfner litt beinahe genauso schlimm an Gelenkschmerzen wie der Lord, doch er hielt sich tapfer und konnte es kaum erwarten, dass Robinton ihm die Arbeit abnahm. Denn aus unerfindlichen Gründen gab es immer mehr Schüler, die unterwiesen werden mussten – Lady Hayara verstand selbst nicht, wieso die Pächter sich dermaßen stark vermehrten.
Robinton unterdrückte mit Mühe ein Schmunzeln.
Er hatte nachgerechnet, wie viele Kinder Lady Hayara geboren hatte, seit er und seine Mutter Burg Benden verließen. Ausgerechnet sie, die ihrem Ehegemahl be-291
reits zehn Nachkommen geschenkt hatte, beklagte sich über die Fruchtbarkeit der Leute.
Kein Wunder, fand Robinton, dass Raid ihr die kalte Schulter zeigte. Sie bürdete ihm für die Zukunft keine geringen Probleme auf. Seine jüngeren, verständigeren Halbbrüder würde Raid vermutlich in die Bewirt-schaftung der Burg einspannen, und die Mädchen so vorteilhaft wie möglich verheiraten. Doch Robinton wünschte ihm aufrichtig, es möge kein so intriganter und skrupelloser Verwandter unter Bendens männlichen Erben sein wie jener Fax aus dem Hochland.
Nachdem er sein Klah ausgetrunken hatte, verkündete er, er wolle Meister Evarel aufsuchen und ihn fragen, ob er ihm helfen könne.
»Aber du hast doch eine lange und anstrengende
Reise hinter dir. Er wird von dir nicht erwarten, dass du dich gleich in die Arbeit stürzt.«
»Am besten, ich frage Meister Evarel, was er möch-te. Aber so strapaziös war die Reise gar nicht. Ich nahm mir viel Zeit und wurde unterwegs überall
freundlich aufgenommen.«
Er bedankte sich noch einmal für die herzliche Be-grüßung und die Erfrischungen und steuerte dann
auf die hintere Treppe zu. Doch Lady Hayara rief ihn scharf zurück und deutete auf die Haupttreppe.
»Geselle Robinton, vergiss bitte nicht deinen neuen Status«, ermahnte sie ihn mit einer Spur von Tadel.
»Du bist kein Kind mehr!«
Er verneigte sich, murmelte etwas von alten Ge—
wohnheiten und nahm die Haupttreppe in Angriff.
*
Meister Evarel freute sich über seine Ankunft – und auf seine Bereitschaft, unverzüglich mit der Arbeit zu beginnen, denn die Hände des älteren Mannes waren 292
von der Gicht arg verkrüppelt und bereiteten ihm offensichtlich Schmerzen.
»Normalerweise spielt Maizella die Instrumente,
doch heute Vormittag ist sie verhindert«, brummte Evarel. Als Robinton ihn hörte, mutmaßte er, dass der Harfner auch im Begriff stand, seine Stimme zu verlieren. Er hatte Bass gesungen, und normalerweise waren es die Tenöre, die zuerst mit diesbezüglichen Problemen zu kämpfen hatten. »Wenn du nicht zu erschöpft bist …«
»Ich fühle mich bestens, Meister Evarel. Ich möchte gern sofort beginnen. Vielleicht hätte ich gestern doch durchmarschieren sollen …«
»Nein, nein, das letzte Wegstück kann bei Nacht
sehr gefährlich sein«, wehrte Evarel ab und reichte Robinton seine Gitarre.
Die Kinder im Schulzimmer kicherten und
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