Drachenklänge
Holzes zu beginnen, denn diese Arbeit nimmt am meisten Zeit in Anspruch, aber das weißt du ja sicher. Für die Saiten finden wir bestimmt den geeigneten Darm. Deine neue Festtagskleidung habe ich eingepackt, weil Lord Maidir und Lady Hayara oft Gesellschaften geben. Die beiden sind ja so beliebt an der Küste. Deine Schulsachen lassen wir am besten im Beutel, dann kannst du sie später im Klassenzimmer unterbringen. Und jetzt, wo wir bei dir Ordnung geschaffen haben, könntest du mir mit meinem Zeug helfen.«
Robinton merkte, dass seine Mutter nur sehr wenig Bekleidung mitgebracht hatte. Ein einziges Festtagsgewand und nur eines ihrer schönen langen Kleider, die sie bei ihren Konzerten trug. Zwar enthielt ein Packsack Stapel von Notenblättern, hauptsächlich Partituren, die sie für den Unterricht brauchte, doch darunter fand sich kein Werk seines Vaters. Das kam ihm höchst seltsam vor. Plötzlich hatte er ein flaues Gefühl im Magen, doch ihm war nicht übel von den Keksen, die er verputzt hatte.
»Mutter, wird Vater uns in Benden besuchen?«
Sie hielt in ihrer Tätigkeit inne und drehte sich langsam zu ihm um. Einen so trostlosen Ausdruck hatte er noch nie auf ihrem Gesicht gesehen.
»Das liegt ganz bei ihm, Robinton«, antwortete sie und fuhr fort, Wäsche in eine Kommode zu legen.
»Vermutlich nimmt er an der Frühjahrsfeier teil«, setzte sie in verändertem Tonfall fort, als sei es ihr völlig gleichgültig. »So, das hätten wir. Ich schlage vor, dass 140
wir uns jetzt frisch machen, denn gleich ist es Zeit zum Abendessen.« Sie deutete auf das Dämmerlicht, das durch die Fensterschlitze fiel, und zog dann energisch die schweren Vorhänge zu, als wolle sie symbolisch dem Tag ein Ende bereiten.
*
Beim Abendessen saß Robinton mit den Kindern der Burg an einem Tisch. Um die Tafel für seine Altersgruppe drängten sich vierundzwanzig Jungen und
Mädchen, aber Falloner hatte neben sich einen Platz für Robinton frei gehalten.
»Nein«, funkte einer der Jungen dazwischen und
schlängelte sich an Robinton heran. »Er soll neben mir sitzen. Du durftest seine Sachen hochtragen, Falloner, aber Mutter sagte mir, wir sollen uns alle um Robinton kümmern. Du hast dazu schon Gelegenheit gehabt.«
»Rob und ich sind Freunde«, erwiderte Falloner von oben herab. »Wenn du unbedingt willst, dann setz dich an seine andere Seite, Hayon. Er ist Lady Hayaras ältester Sohn«, fügte er hinzu und stellte dann jedes Kind an ihrem Ende des Tisches vor. »Das da ist Rasa, daneben sitzt Naprila, und die auf der anderen Seite sind Anta, Jonno und Drevalla.«
Robinton warf einen Blick zur Hohen Tafel, wo
seine Mutter zwischen Lord Maidir und Raid Platz genommen hatte. Maizella saß neben ihrer Stiefmutter.
»Letztes Jahr durften sie vom Kindertisch zur Hohen Tafel überwechseln«, erklärte Falloner und zog die Nase hoch. Er nahm der Serviererin das Brot und das Schneidebrett ab und begann, dünne Scheiben
vom Laib abzusäbeln. Geschickt spießte er sie mit dem Messer auf und warf sie der Reihe nach den am Tisch sitzenden Jungen und Mädchen zu, bis alle versorgt waren. »Ich wette, es gibt Eintopf«, meinte er. Er hatte 141
richtig getippt, denn als Nächstes wurde ein großer Topf auf den Tisch gestellt.
»Jetzt bin ich dran«, sagte Anta, stand auf und
schnappte sich die Schöpfkelle, ehe Falloner danach greifen konnte.
»Von mir aus, aber gib Acht dass du nichts verschüttest,« entgegnete er gnädig und setzte sich wieder hin. Freundlich grinsend stieß er Robinton mit dem Ellbogen in die Rippen.
An der Hohen Tafel gab es keinen Eintopf, wie
Robinton bemerkte, sondern eine Vorsuppe und danach gebratenen Wherry, verschiedene Saucen, Gemüse und Brötchen. Ihm fiel auf, dass seine Mutter kaum etwas aß, sondern lustlos in dem guten Essen herum-stocherte.
Allerdings unterhielt sie sich mit Lord Maidir und Raid und schien wieder ganz die Alte zu sein. Nur lächelte sie viel weniger, als Rob es von ihr gewöhnt war. Und kein einziges Mal hörte er sie lachen.
Der Eintopf schmeckte ihm, das Brot mundete köstlich, und Rob war ausgehungert. Zum Nachtisch gab es kleine Obsttörtchen, die gierig verschlungen wurden. Rob schielte zur Hohen Tafel hinüber und stellte fest, dass dort die Desserts noch reichlich vorhanden waren. Er hatte den Eindruck, dass man seine Mutter bevorzugt behandelte, was auch nur recht und billig war, wie er fand. Vor allem, weil er von diesen Privilegien auch profitierte.
Nach dem Essen
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