Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Begegnung, nachdem sie immer wieder nur wildes, ungezügeltes Wuchern aller möglichen Formen von Leben ohne jede Vernunft fanden – und den Styx läßt das ganz kalt, daß uns hier das erstemal Verstand begegnet.
Aber Goff fühlt selbst nicht die Größe des Augenblicks in seinem Herzen, sondern nur Neugier und ein wenig Furcht. Und er versteht auch, warum es so ist: Zu gewaltig sind die Fragen, die sich vor den Menschen und ebenfalls vor ihm türmen, daß noch viel Raum bliebe für Dinge, die mit diesen Fragen nicht unmittelbar zu tun haben. Vielleicht wäre es anders, wenn man irgendwo weit draußen, am Rande der Galaxis oder auch nahe ihrem Zentrum, auf diese merkwürdigen “Geister” getroffen wäre. Doch hier, direkt vor der Haustür der Heimat aller Menschen, da verliert die Begegnung an Faszination angesichts der brennenden Probleme, da wird sie zu einer Aufgabe, die nebenbei zu lösen ist.
In einigen Stunden werden sowieso die von Flakke angeforderten Spezialisten eintreffen, vielleicht wird es auch einen Tag dauern – oder zwei. Wer konnte denn ahnen, daß es auf dem Merkur geschehen soll, dieses Zusammentreffen mit den Fremden, den anderen Vernunftbegabten.
Aber allzuviel Zeit dürfen sie sich nicht lassen, die Leute, die Entscheidungen und Maßnahmen solcher Dimension verantworten, denn bald werden diese fremden Wesen in ihr Raumschiff steigen und den Merkur verlassen müssen, und wer weiß, wohin sie fliegen, wenn es ihnen auf dem sonnennächsten Planeten zu ungemütlich wird…
Für Goff ist der Fall klar: Man muß mit diesen Extraterrestriern kommunizieren, Informationen tauschen und Verträge schließen.
Natürlich hat er dabeizusein, wenn dies geschieht. Der MOBS muß einfach vertreten sein. Immerhin ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß die Fremden über Erkenntnisse verfügen, die vielleicht Rettung für Millionen von Mungos bedeuten…
Schweigend gehen sie weiter.
Wie ein Höllensturm muß es durch diese Räume getobt sein, denktGoff und schüttelt sich unbewußt. Überall Ruß und Asche, blasige und verkohlte Gegenstände und Flächen. In solch einem Inferno sterben zu müssen – er verdrängt den Gedanken schnell.
Bruno von der Hohen Aue flüstert: “Irgendwie ist das schon ein seltsames Gefühl, so allein zu sein.” Dabei blickt er unwillkürlich zur Tunneldecke, als könnte er durch den darüberliegenden Fels hindurch die davonsegelnde Ikaros sehen.
“Na, hör mal, Bruno”, antwortet Styx überrascht und – wie es Goff scheint – auch ein wenig betreten, “du hast doch schon ganz andere Dinger gedreht – ohne dich wäre ich…”
Er spricht nicht weiter, und der Dicke wehrt hastig ab: “Das war etwas anderes, da hatte ich den Steuerbügel in der Hand, konnte etwas tun, mich wehren. Hier aber bin ich hilflos, weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich habe einfach Angst und kann nicht einmal sagen, wovor.”
“Mach keinen Quatsch, Bruno! Du und Angst – das kauft dir sowieso keiner ab, also rede nicht solchen Blödsinn. Außerdem bin ich auch noch da! Mann, ich warte doch nur darauf, mich endlich revanchieren zu können”, preßt Styx hervor.
Goff muß grinsen. Also hat er richtig beobachtet. Es kam ihm gleich merkwürdig vor, daß der Proximer mit den Tütchenohren unter der seltsamen Mütze – die er auch unter dem Skaphanderhelm trägt – wie ein braves Hündchen um Bruno von der Höhen Aue herumscharwenzelt, unablässig und mit einem Ausdruck im Gesicht, wie er ihn bisher nur von Dackelaugen kannte. Wie ein Schatten folgt Styx dem Dicken auf dem Fuße. Er hat sogar einen Ringtausch organisiert, um in der Mannschaftsunterkunft die Koje neben dem Dicken beziehen zu können. Das Grinsen vergeht jedoch Goff, als er sich bewußtmacht, wovor sich der Dicke fürchtet. Der Kerl hat doch recht: Sie sind ganz allein, haben nur den Lander, in den sie sich bei Gefahr zwar zurückziehen, mit dem sie aber auf keinen Fall die Basis Hermes erreichen können! Wenn sie nun von der neuen Bebenserie überrascht werden? Nach Skagits Berechnungen sollen diese noch viel stärker sein als vor fünfunddreißig Jahren.
Jetzt blickt auch Hermel Goff zur Decke und erinnert sich an die mächtige Felsschicht über ihren Köpfen.
“Ach, du sollst nicht an so was denken”, sagt Bruno leise zu Styx. “Du brauchst dich dafür nicht zu revanchieren, daß ich…” An dieser Stelle unterbricht er sich – erschrocken, als habe er schon zuviel ausgeplaudert – und schnauft
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