Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
das denn erklärt?” Styx lacht trocken auf.
Auch Goff überlegt, was man darauf antworten sollte, einem Wesen, das so ganz anders ist.
“Was schon!” sagt Marigg. “Natürlich nur das, was er verstehen kann. Daß unsere Welt viel größer ist, daß wir unsere Wärme aus Kaltkraft machen und keine Glumpe brauchen.”
“Woher willst du wissen, daß unsere Welt größer ist?” fragt Goff zweifelnd. “Du weißt schließlich gar nicht, woher sie kommen!”
“Doch, ich weiß es. Das hier ist ihre Welt, und sie kommen aus den Schleimigen Mündern.”
Goff stutzt. “Noch mal!” verlangt er. “Das hier, die Klinik, betrachten sie als ihre Welt?”
“Ich sag es doch, Klugwarm hat mir alles erzählt.” Goff hört, wie Bruno von der Hohen Aue herangeschlurft kommt. Der Dicke läuft steif und hölzern wie eine Puppe. Dicht vor den Gitterstangen bleibt er stehen und starrt Klugwarm aus kleinen glitzernden Augen an. “Es sind Menschen!” keucht er wie ein Ertrinkender. “Ich sag euch: Das sind Menschen!”
Die siebenfingrige Hand des Riesen tastet nach Brunos Kopf und streicht behutsam über den Helm. Bruno zuckt erst zurück, hält dann aber tapfer stand.
“Er will wissen, warum unsere Köpfe so hart sind und warum wir alle die gleichen Köpfe haben”, sagt Marigg.
Bruno steht zitternd am Gitter und läßt sich betasten.
“Sag ihm, was ein Helm ist”, antwortet Goff, aber Marigg gibt zurück: “Hab ich schon versucht, das begreift er nicht. Es existiert nichts Vergleichbares in seinem Denken.”
“Das sind Menschen! Begreift es endlich!” stößt Bruno abermals hervor.
“Red keinen Quatsch, Dicker!” Marigg ist anscheinend seiner Sache sicher. “Du siehst es doch: Sie sind ganz anders. Daß es einige Ähnlichkeiten gibt, besagt gar nichts; überall in der Natur erschaffen die Lebensverhältnisse Formen, die völlig verschiedene Arten einander ähnlich machen, weil Umwelt und Lebensweise gerade diese eine Form bedingen.”
“Ich glaube, du hast nicht ganz recht, Marigg”, sagt Goff leise, dem plötzlich etwas eingefallen ist. Vor langer, langer Zeit hat er einmal ähnliche Wesen gesehen. Diese Erinnerung hat er mit aller Macht aus seinem Gedächtnis verdrängen wollen, weil der Anblick der schrecklichen Mißbildungen für ihn ein furchtbarer Schock war. Damals waren es Menschen gewesen. Der Arzt sprach eiskalt von Optimierungsunfällen. Sie vegetierten in einer Spezialabteilung der Forschungsklinik des MOBS dahin, stumpfe, bizarr deformierte Geschöpfe, deren einziges Recht das auf Leben war. Ohne dieses Erlebnis wäre Goff wohl nie Mitarbeiter des Medizinischen Beobachtungsdienstes geworden, denn da erst wurde ihm klar, was es bedeutet: Vorbeugen ist besser als heilen.
“Ich glaube, du irrst”, wiederholt er zögernd und sieht Klugwarm, Roch und den sich wälzenden Haufen von Leibern plötzlich mit anderen Augen. Es könnten sehr wohl extrem mutierte menschliche Wesen sein – aber wie sollten sie hierhergekommen sein? Was hat diese grausamen Mutationen bewirkt, wie sind sie überhaupt entstanden?
Auch Hermel Goff weiß sehr genau, daß es nach der Katastrophe keinen einzigen lebenden Menschen mehr auf Nabuthot gab. Jeder noch so kleine Winkel wurde durchstöbert, es ist einfach ausgeschlossen, daß einÜberlebender übersehen wurde.
Das alles wird zu klären sein: Wer sind sie, woher kommen sie, wie sind sie hierhergeraten? Aber nicht jetzt. Jetzt muß der Kontakt stabilisiert werden. Der Verstand funktioniert wieder fehlerfrei, Goff hat seine Gefühle endlich im Zaum und überlegt angestrengt, wie vorzugehen ist.
Er setzt den Container ab und öffnet ihn. Nach einigem Kramen endlich findet er den kleinen Plasmabrenner. Da fällt ihm ein merkwürdiger Umstand auf. “Wieso ist das Gitter eigentlich geschlossen?” fragt er unvermittelt.
“Na, weil's zu ist”, antwortet Styx lakonisch.
“Reden Sie doch nicht solchen Stuß!” erwidert Goff gereizt. “Die Rettungsmannschaften waren überall, also auch hier. Warum ist es dann zu?”
Bruno schnellt herum. “Sie meinen, der Regeneratortrakt wurde – nicht durchsucht?”
Goff schüttelt schnell den Kopf. Das war zwar genau der Gedanke, der in seinem Gehirn aufblitzte, aber sein kühler Verstand sagt ihm, daß solch eine grobe Nachlässigkeit undenkbar ist. Nein, zweifellos waren die Männer der Bergungstruppe auch hinter dieser verdammten Gittertür.
“Ganz einfach”, sagt Marigg, “das ist ein Schnappschloß, ein
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