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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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aber korrigiert er sich sofort in Gedanken. Nein, ich mache es ja gar nicht wegen Styx, ich tue es ausschließlich meinetwegen. Andere malen sentimentale Verse an die Wände des Drachenkreuzers – ich riskiere mein Leben. Diese kitschigen Ergüsse würde mir sowieso keiner abnehmen.
    Keiner weiß, wer der Schmierfink ist. Aber fast jeden Morgen steht an irgendeiner Stelle der Ikaros eins seiner Machwerke. Inzwischen nennt man den geheimnisvollen Graphomanen schon “Geisterpoet” – Bruno kann darüber nur lachen. Er hat Styx im Verdacht, der wohl sehr darunter leidet, daß Skamanders Schöne ihn keines Blickes würdigt, aber normal ist es nun mal nicht, mit einem Farbtopf oder einer Sprayflasche durch den Drachenkreuzer zu schleichen.
    An das eine “Gedicht” erinnert sich Bruno noch sehr gut, es stand auf dem Schott zur Brücke, und alle reckten die Hälse, um es lesen zu können, drängelten durch die dichte Traube nach vorn, schubsten und kicherten albern. Da stand: Hoffnung / Was ist das / Ich erinnere mich nicht / Omega. Und einen Tag später hatte der Geisterpoet die Galerie mit der zweiten Strophe verziert: Jeden Tag kaufte ich / zahlte mit Hoffnung / womit bezahle ich morgen / Omega.
    Skagit grinste tückisch, als sie über den dunklen Sinn der Worte rätselten, und verschwand. Dann kam er mit einem Fettstift in der Hand wieder, mit einem dieser Leuchtfarbenschreiber, mit denen die Risse und Durchschläge auf den Segelfolien markiert werden.
    “Narrenhände beschmieren Tisch und Wände”, setzte er in Großbuchstaben unter die Verse. Und irgendwie war es der böse Blick, den Styx ihm unter dem Schirm seiner gestreiften Baseballmütze hervor zuwarf, was Bruno auf den Gedanken brachte, in ihm den Verfasser dieser Sentimentalitäten zu sehen. Am nächsten Tag glotzte Skagit recht dämlich auf die Antwort des Geisterpoeten, der geschrieben hatte: “Ein Narr – wie stolz das klingt.” Diesmal regte sich kein Muskel in Styx' Gesicht, und Bruno war sich nicht mehr so sicher, den Urheber erkannt zu haben.
    Eines Tages kam er auf den blöden Gedanken, den Geisterpoeten zu verwirren, indem er selbst etwas an die Wände schrieb. Stundenlang zermarterte er sich das Gehirn, und endlich hatte er zwei Zeilen zusammen, die ihm gefielen. Bruno schlich durch den ganzen Drachenkreuzer, um eine geeignete Stelle zu erkunden, aber immer kam ihm jemand in die Quere. Einmal, auf dem Wartungsdeck, stand er bestimmt drei Minuten wie zu Eis erstarrt und lauschte, erst dann war er sich sicher, das Unternehmen wagen zu können. Aber gerade als er die kleine Dose mit der Dichtungsmasse für die Außenhaut der Wantentrailer aus der Tasche ziehen wollte, kam ein Trupp Mechaniker um die Ecke.
    Schließlich landete er auf der Toilette. Als er den Riegel zuschnappen ließ, war er sich zwar dessen bewußt, daß seine Heldentat auf die Größe eines Wasserstoffkerns geschrumpft war, aber hier hatte er wenigstens seine Ruhe, wie er glaubte, und sprühte sorgfältig gegen die Tür: Glück steht im Schaufenster / und ich habe kein Geld / Omega. Dann war er eine Weile mäßig stolz auf sich, aber da klopfte es von draußen gegen die Tür, und jemand rief verärgert: “Mann, kannst du das nicht in Portionen aufteilen und nachher noch mal gehen?” Gerade in diesem Augenblick wurde Bruno bewußt, daß der Geruch der frischen Beschichtungsmasse ihn unweigerlich verraten mußte, und er knurrte irgend etwas von Verstopfung und daß es noch genügendandere Örtchen gäbe. Dann saß er bis zum Beginn der Segelwache auf dem Klosett und wedelte mit seinem Unterhemd die Luft in den Klimaschacht, und als er endlich die Tür aufschließen konnte, stand natürlich wieder jemand davor. Bruno spürte, wie eine enorme Hitze seinen Schädel füllte, und stotterte hilflos: “Da hat wieder jemand etwas angeschmiert…” Dann machte er sich aus dem Staub und wartete den ganzen Tag darauf, daß ihn jemand fragen würde, woher er denn die Einfälle für seine Dichtungen nähme. Aber Toiletteninschriften waren die Leute anscheinend gewohnt – niemand nahm Notiz von seinem Kunstwerk. Und das ärgerte Bruno nun sogar ein wenig…
    Nein, er kann keine Gedichte schreiben – er muß sein Leben als Pfand setzen, um anderen zu imponieren, und für Styx tut er es auf jeden Fall lieber als für Skagit, an dem das einzig Sympathische der drollige Zwergburrbo ist…
    Die Sonnenoberfläche weitet sich unter ihm wie ein unendliches, von Horizont zu Horizont reichendes

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