Drachenland: Roman (German Edition)
Nebel, die Waffen fest umklammert und zwischen Hoffnung und Furcht schwankend, der Feind könne plötzlich auftauchen. Tamark führte eine Gruppe dieser Soldaten an. Der Nebel hatte seinen Orientierungssinn ausgeschaltet; so langsam und lautlos wie möglich suchte er den Weg zu den Hügeln zurück. Er war nicht versessen auf einen weiteren Kampf. Im Augenblick hoffte er nur auf einen Rückzug ohne Zwischenfälle.
Seine Hoffnungen wurden jedoch bald zunichtegemacht. Aus dem Nebel vor ihm tauchten Gestalten in edler Rüstung auf, die seinen Weg rechtwinklig schnitten. Die beiden Gruppen erblickten einander gleichzeitig. Tamark hörte erregte Rufe und wie Schwerter aus ihren Scheiden gezogen wurden. Also blieb keine andere Wahl. Er zog sein Schwert und rief: »Für Fandora!« Aber der Schlachtruf klang ihm falsch in den Ohren. Vielleicht sterbe ich in den nächsten Minuten, dachte er, und ich weiß nicht einmal wofür.
Da griffen die Simbalesen an. Sie wurden von General Vora angeführt und waren gerade dabei, Gefangene zurück zum Wald zu bringen. Vora war ebenso wenig wie Tamark nach einem weiteren Kampf zumute, aber als er den zerlumpten Haufen auftauchen sah, war ihm klar, dass er dieses Hindernis aus dem Weg räumen musste, damit ihnen nicht die Gefangenen entkamen.
Aber der Fandoraner, der diese Gruppe führte, war intelligenter als die heulenden Berserker von zuvor – ein reckenhafter, kahlköpfiger Mann, der sein Schwert schnell zog, seine Männer mit einem Ruf um sich versammelte und vorschnellte, um Voras Angriff zu begegnen. Vora dachte an Falkenwinds Befehl, wo immer möglich Gefangene zu machen, und versuchte, Tamark zu entwaffnen. Aber er rutschte an einer schlammigen Stelle aus und stolperte. Der Fandoraner war sofort bei ihm, schlug ihm das Schwert aus der Hand und richtete sein eigenes auf Voras Hals. Vora wich aus und stürzte sich auf den Fandoraner. Sie fielen zusammen auf den Boden und rollten zwischen die brüllenden, fluchenden Soldaten, die um sie herum kämpften. Vora drückte dem Kahlköpfigen das Knie in den Magen, so dass dieser um Atem ringen musste. Vora keuchte selbst – es war viele Jahre her, seit er sich zum letzten Mal auf diese Weise angestrengt hatte. Er kämpfte sich frei und stand mühsam auf. Plötzlich tauchte aus dem Nebel messerschwingend ein anderer Fandoraner auf. Vora drehte sich um, aber einen Moment zu spät: Er fühlte einen stechenden Schmerz in der Seite, als der Soldat sich auf ihn stürzte. Vora verlor das Gleichgewicht und stürzte nieder. Vorübergehend benommen, sah er, wie der zweite Soldat dem Kahlköpfigen auf die Beine half. Dann verschwanden beide stolpernd im Nebel.
Vora blickte sich um. Tote und verwundete Männer und Frauen bedeckten den Boden. Von allen Seiten ertönten Rufe. Jemand erschien neben ihm und half ihm hoch.
»Ihr seid verwundet, General!«, sagte sie – es war eine Frau -, »ich werde Euch einen Verband anlegen.«
»Lass nur«, knurrte Vora. »Was glaubst du wohl, warum ich so viel Fett mit mir herumschleppe? Man braucht ein langes Messer, um bis zu meinen lebenswichtigen Organen vorzustoßen.«
»Die Gefangenen griffen uns von hinten an, General«, sagte die Frau. »Wir sind zwischen die beiden Gruppen geraten und haben alle Gefangenen bis auf einen verloren.«
»Ich verstehe«, sagte Vora und seufzte. »Ich glaube, ich möchte doch einen Verband.«
Die meisten Hauptstraßen in Oberwald lagen verlassen da. Die Kutsche der königlichen Familie erreichte das Flussufer schnell. Zwei kleine Kinder und ein hochgewachsener älterer Mann warteten dort zusammen mit mehreren Wächtern.
Evirae lächelte und klatschte in die Hände. Der Vorhang der Kutsche glitt zurück, und sie stieg vorsichtig aus. Sie trug ein langes purpurfarbenes Kleid, einen blauen Umhang und einen silbernen Stirnreif.
Woni betrachtete sie, von Erstaunen erfüllt. »Es ist die Prinzessin!«, sagte sie. »Sie sieht so schön aus!«
Willow stocherte mit der Gummispitze seines Speers nervös im Rasen herum. »Sie sieht komisch aus«, sagte er. »Warum hat sie ihr Haar so aufgesteckt?«
»Pst!«, flüsterte sein Großvater. Als Evirae vor ihnen stehen blieb, sagte er: »Guten Nachmittag, Prinzessin. Ich hoffe, dass wir helfen können.«
Evirae nickte ihm zu und lächelte die Kinder an. Sie streckte eine Hand aus, um Woni den Kopf zu tätscheln. Das Kind schreckte instinktiv vor den glänzenden Nägeln zurück, und Evirae biss sich auf die Lippe. »Ihr seid zwei
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