Drachenland: Roman (German Edition)
und etwas länger als er selbst. Das Material des Segels war zerfetzt, und zuerst war Amsel enttäuscht. Doch dann kam ihm in den Sinn, das Holz als Grundlage für ein Floß zu benutzen, und jetzt wusste er auch, wie er das Segeltuch verwenden konnte: Mit Binsen und Schösslingen konnte er Holz und Segel zusammenfügen.
»Ich muss es versuchen«, murmelte er. »Es ist viel zu kalt, um zu Fuß weiterzulaufen.«
Der Mond stand hoch am Himmel, als Amsel nach drei Stunden seine Arbeit beendet hatte. Er schob das winzige Floß in den Fluss und begann seine Reise nach Süden.
Hohe Klippen lagen zu beiden Seiten des Flusses. »Ich werde Ausschau halten nach den Leuchtenden Höhlen«, sagte Amsel vor sich hin. »Vielleicht machen sich die Frostdrachen bald wieder auf. Wenn ihr Angriff auf Johan ein Beispiel für das ist, was uns bevorsteht, dann muss ich einfach herausfinden, was hinter den Drachenlegenden steht!« Obwohl er überzeugt war, dass die Frostdrachen die Morde verübt hatten, hatte er immer noch keine Ahnung, aus welchem Grund die Kinder in Fandora und Simbala sterben mussten. Amsel dachte an die Schrecken, denen er im Norden begegnet war, und an den Krieg, für den er sich verantwortlich fühlte.
Ein leises Weinen ging durch das Flusstal, ein Laut so einsam wie die heulenden Winde. Weiter nördlich verhüllten Wolken den Mond, und obwohl Amsel es nicht wusste, schlugen immer noch stumme Flügel auf der Suche nach ihm.
Um Mitternacht wurde die Nachricht rasch zum Kamerantal gebracht.
Das Treffen der Königsfamilie war kurz gewesen. König Ephrions Einwände gegen die wenig überzeugenden, betrügerischen Argumente Eviraes waren als unzulänglich zurückgewiesen worden. Er konnte nicht preisgeben, was zwischen ihm und dem Fandoraner vorgegangen war, denn das würde seine Verteidigung Falkenwinds verdächtig erscheinen lassen. Aus dem gleichen Grund durfte er auch über Cerias Auftrag kein Wort verlieren. Er hoffte immer noch, dass sie rechtzeitig nach Oberwald zurückkehren würde mit Beweisen, die das Geheimnis um den Angriff des Frostdrachen lüfteten.
Die Prinzessin sprach so beherrscht und voller Verständnis, dass Mesor ihre denkwürdige Vorstellung sicher bewundert hätte, doch er durfte nicht teilnehmen. Sie erhielt unerwartet die Unterstützung ihres Gemahls und anderer Minister, die in weniger bewegten Zeiten dem Bergmann bereitwillig eine Chance gegeben hatten, jetzt aber tief betroffen und erzürnt waren über die Verluste, die der Krieg unter seiner Führung gefordert hatte.
Auch Baronesse Alora wurde unter dem Einfluss der Nachrichten vom Schlachtfeld schwankend; der Mord an Thalen konnte nicht einfach hingenommen werden, wie sehr sie auch Falkenwinds Bemühungen um Reformen bewunderte. Er hatte die hitzköpfigen Nordweldener in die Armee aufgenommen. Alora forderte die Suspendierung Falkenwinds für die Dauer des Konflikts mit den Fandoranern, wünschte aber die Frage seiner völligen Amtsenthebung zurückzustellen.
Tolchin unterstützte mit Rücksicht auf Alora ihren Vorschlag, aber der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
Jibron und Eselle ergriffen als Letzte das Wort, und sie beantragten die Entfernung Falkenwinds aus dem Palast wegen Landesverrats und Unfähigkeit in militärischen Angelegenheiten.
Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Trotz der Proteste Ephrions sollte also Evirae Königin werden.
Die Straße, auf der Falkenwind zum Südland ritt, war von den Regenfällen des Frühjahrs am schwersten betroffen, und ganze Abschnitte standen unter Wasser. Der Falke des Monarchen flog von Zeit zu Zeit voraus, um die Straße auf Gefahren zu überprüfen. Bei einer besonders tiefen Wasserrinne lenkte Falkenwind sein Pferd nach links, ritt den Hang hinauf und in den Wald hinein. Sein Pferd kam mühelos voran. Es war für den Kampf und die Jagd abgerichtet; viele Male hatte Falkenwind in diesen Wäldern nach Hirschen und Wildschweinen gejagt. Es war ein gefährlicher Sport, aber das mutige Tier hatte nie versagt.
Falkenwind hatte noch einen weiten Weg vor sich, aber er ließ sich durch nichts zurückhalten. Er wusste von den Lagern der Rayaner; Ceria hatte oft vom Shar-Wagen gesprochen. Er musste das Lager, er musste Ceria einfach finden, bevor die Sonne wieder unterging! Das, was sie auf Wunsch König Ephrions holen sollte, konnten sie dann gemeinsam nach Oberwald bringen.
Falkenwind war überzeugt, Simbalas Vertrauen wiederzugewinnen, wenn er nur die Wahrheit über
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