Drachenland: Roman (German Edition)
aufleuchten. Es war eine trostlose Gegend, dieses enge Flusstal. Die einzigen Farben waren das Weiß des Schnees, das blasse Grün der wenigen Pflanzen am Ufer und die Braun- und Rottöne der Felsen und Klippen. Trotz der vielen Gefahren nickte Amsel immer wieder ein, weil er zerschunden und erschöpft war.
Der Düsterling führte seine Frostdrachen durch einen eisigen Pass zwischen den Klippen nach Osten. Sie wollten alles erjagen, was es noch an Lebewesen gab in diesem Teil des Flusstals, und sich auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten. Der Geist der Feuerdrachen verfolgte den Düsterling. Seine Anordnungen verletzten jetzt den uralten Vertrag mit ihnen, und noch nie zuvor war er so weit gegangen. Aber es gab ja keine Feuerdrachen mehr, und er musste seine Gefährten retten.
Ein einsamer Kundschafter war in den Süden geschickt worden, um nach weiteren Wolkenschiffen der Menschen Ausschau zu halten, und sollte er die winzige Kreatur finden, die ihnen entkommen war, so würde er dafür sorgen, dass sie nicht in den Süden zurückkehrte.
Der Düsterling stöhnte, als die kalten Winde seine Flügel erzittern ließen. Die Menschen hatten gewagt zu verletzen, was den Frostdrachen heilig war, und damit hatten sie diesen Angriff herausgefordert.
Amsel fragte sich, wie es in Simbala aussah. Er wusste natürlich nicht, was inzwischen geschehen war, aber wenn der erlesene Palast ein Beispiel für das technische Können der Sim war, erschien ihm die Möglichkeit eines Sieges der Fandoraner außerordentlich gering. Er sagte sich, dass zumindest König Ephrion bei einer Kapitulation Jondalruns dafür sorgen würde, dass man Fandora nicht zu übel mitspielte.
Amsel blickte hinauf zu den steilen weißen Wänden, die das Flusstal begrenzten. Weiter oben schmolzen riesige Eiszapfen und krachten donnernd auf die Felsen darunter. Weiter vorn sah Amsel einen großen Eisklotz, in dem ein dunkler, unregelmäßig geformter Schatten in Wartestellung zu liegen schien. Fasziniert griff Amsel nach seiner Brille; dann fiel ihm ein, dass er keine Brille mehr hatte.
Er nahm die lange Stange von ihrem Platz zwischen den Brettern seines Floßes und schob sie ins Wasser. Der Fluss war hier langsamer, und er konnte das Floß näher ans Ufer bringen. Er vergewisserte sich, dass keine Frostdrachen in Sicht waren, und stakte das Floß voran.
Am Ufer angekommen, machte er sich auf einen Erkundungsgang. Er hoffte, essbare Pflanzen zu finden, und wollte sich auch den geheimnisvollen Eisklotz genauer ansehen.
Kurz darauf machte er eine Entdeckung, die die fantastischsten Legenden noch übertraf: Eingeschlossen im Eis des Kliffs lag da ein riesiges, geflügeltes Geschöpf. Es sah aus, als sei es im Flug erfroren. Amsel konnte keine Einzelheiten erkennen, aber wenn dies ein Frostdrache war, so war er noch riesiger als selbst der schwarze Drachenherrscher. Amsel ging näher heran und vergaß völlig, dass er eigentlich sein Floß im Auge behalten wollte – dies war kein Frostdrache! »Vier Beine, riesige Flügel«, flüsterte er. »Es ist ein echter Drache!«
Er machte einen Satz in die Luft. »Ein Drache! Es ist ein echter Drache!« Die Legenden hatten recht – es gab die Drachen wirklich! Oder hatte sie jedenfalls einmal gegeben, denn dieses Wesen steckte sicher schon lange im Eis. Aber es machte Amsel Hoffnung. Wie gern hätte er seine Entdeckung jetzt mit jemandem geteilt; wieder einmal sehnte er sich verzweifelt nach dem Klang einer menschlichen Stimme. Doch stattdessen ertönte Flügelschlagen ausgerechnet jetzt, wo er eine Weile völlig abgelenkt gewesen war.
Ein Frostdrache kam direkt auf ihn zu. Amsel begann zu laufen und verlor dabei seine Felldecke auf einem Schneehügel. Es war etwa dreihundert Fuß bis zum Rand der Klippen und ging über einen vereisten Schräghang bergauf. Zweimal rutschte Amsel aus und stürzte dabei mehrere Fuß ab. Ein Schneegestöber ging auf ihn herunter, und in der Ferne donnerte es – das Unwetter musste gleich losbrechen. Amsel schlug seine Stiefel in das schmelzende Eis, als ein Schrei das Donnern noch übertönte: Der Frostdrache stürzte sich auf ihn.
Was dann folgte, war ein Tanz des Schreckens. Amsel wusste später noch, wie seine Hände über den Fels glitten, der ihm die Kleider zerriss, während er den Hang hinaufkletterte, ohne sich umzudrehen. Es gelang ihm gerade noch, in eine Spalte des Kliffs zu krabbeln, als der Frostdrache zornig an ihm vorbei in die Höhe abdrehte, um nicht auf
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