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Drachenland: Roman (German Edition)

Drachenland: Roman (German Edition)

Titel: Drachenland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Reaves
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Verteidigung der Hügel hatte ihn längst den eigentlichen Kriegsgrund vergessen lassen, aber jetzt sah er wieder Johan vor sich. Er dachte an das lachende, fröhliche Kind, sah den Jungen nach dem Pflügen auf einem Ochsen reiten, sah ihn mit der kleinen Axt, die er ihm gemacht hatte, wie ein Mann Holz hacken, sah ihn mit seinen Freunden in den Toldenarhügeln in der Nähe des Hofes spielen.
    Er versuchte, wieder denselben wilden Zorn in sich zu spüren wie damals, als er die Leiche seines Sohnes gefunden hatte, aber der Zorn war verbraucht. Er empfand nur noch Traurigkeit und Müdigkeit. Er blickte zu Dayon auf und sagte: »Wir ziehen uns zurück.«

30
     
    »Er schläft«, flüsterte Amsel, als er über den Rand des Kliffs spähte. »Er weiß nicht einmal, dass ich hier bin.«
    Stumm betrachtete er den Drachen – er erwies sich wirklich der Legende würdig. Er hatte beim Schlafen den gewaltigen Kopf auf die Pranken gelegt, und seine großartigen grauen Flügel waren um ihn herum wie Berge und Täler gefaltet. Er hatte vier Beine, und obwohl er etwa doppelt so groß wie der Düsterling war, vermittelte er den Eindruck von Anmut und Wendigkeit, wie sie eigentlich zu einem viel kleineren Geschöpf gehörten.
    Amsel ahnte, dass der Drache zu seiner Zeit Achtung, aber keine Furcht verbreitet hatte, aber Amsel ahnte auch, dass die Zeit der Drachen vorbei war. Die Haut der Flügel war rissig und voller kleiner Steine, und die Haarbüschel in seinem Gesicht waren schneeweiß. Der Atem des Drachen klang trotz der Lautstärke mühsam und schwach. Bei jedem Seufzer des Drachen spürte Amsel einen Kummer, wie er ihn noch nie kennengelernt hatte.
    Dann sah Amsel die Fessel aus Metall. Sie umschloss die Vordergliedmaße des Drachen und hing an einer schweren Metallkette. Die Kette selbst war an einem Stalagmiten befestigt, der in die Form eines terrassenförmigen Gebäudes gebracht worden war. Amsel hielt den Atem an: Das Gebäude musste von Menschenhand errichtet worden sein! Er untersuchte die übrige Höhle: Bogengänge führten durch das Kliff, und zur Rechten liefen breite Steinstufen entlang der Höhlenmauer nach unten. Überall in der Höhle waren die Felsen mit der leuchtenden Flechte bedeckt. Nur um den Drachen herum schienen die Felsen nackt zu sein; er hatte die Flechte offensichtlich abgenagt.
    »Ich glaube nicht, dass er mir eine große Hilfe sein wird«, murmelte Amsel. »Wo wohl die anderen Drachen sein mögen?« Er begann, am Rand des Kliffs entlangzugehen, und blickte dabei auf den Drachen anstatt auf den Weg. Plötzlich stolperte er über einen lockeren Stein, und der Stein rollte nach unten. Amsel erstarrte, als der Stein sich dem Boden der Höhle näherte und mit einem dumpfen Laut auf einen flechtenbedeckten Felsblock aufschlug – die Akustik der hohen Steinmauern verstärkte das Geräusch um ein Hundertfaches. Das Atmen des Drachen änderte sich augenblicklich. Dann hallte ein tiefes Schnauben durch die Höhle. Amsel wagte sich vor und warf einen Blick über den Rand des Kliffs.
    Dunkelblaue Augen richteten sich auf ihn. Das Wesen war wach! »Beinahe wäre ich von einem Frostdrachen gefressen worden«, flüsterte Amsel, »und jetzt habe ich einen verhungernden Feuerdrachen geweckt!«
    Der Drache hob den Kopf und brüllte, ein Geräusch, das Amsel so vorkam, als würde eine Tür zur Geschichte des Landes geöffnet. Voller Furcht versteckte Amsel sich hinter einem Felsen. Das Brüllen ertönte wieder und wieder, und seine Echos hallten durch die Höhle. Amsel hielt sich die Ohren zu. Wie, fragte er sich, konnte ein so altes Geschöpf die Kraft haben, derartig laut zu brüllen?
    Amsel glaubte, eine gewisse Reihenfolge in den Lauten zu erkennen. Er lauschte ihnen aufmerksam und machte vorsichtig einen Schritt nach vorn. Als er wieder nach unten blickte, sah er, wie der Drache mit der schweren Kette kämpfte. Das Klirren der Kette ging unter in der tiefen, dröhnenden Stimme des Drachen. Das Geschöpf konnte ihn nicht erreichen, aber es brüllte langsam und offenbar gezielt weiter. Der Rhythmus war wie der von Worten.
    »Ich … rieche … Menschengeruch!«
    Amsel hörte voller Erstaunen zu. Es waren Worte!
    »Ich rieche Menschengeruch!« Die langsame Stimme schien in einer Sprache zu sprechen, die der des Südlands glich!
    »Er hat etwas von Menschen gesagt«, murmelte Amsel. »Ich glaube, wenn er es noch einmal wiederholt, werde ich es verstehen.«
    Er trat näher an den Rand des Kliffs und blickte tapfer

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