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Drachenland: Roman (German Edition)

Drachenland: Roman (German Edition)

Titel: Drachenland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Reaves
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das Ungeheuer; bei seinen Studien war er auf Zeichnungen solcher Wesen gestoßen. Es war ein Seewurm, eine Ozeanschlange. Früher das Verderben aller seefahrenden Länder, waren sie inzwischen sehr selten. Er fragte sich flüchtig, wie es kam, dass dieser in einem Binnensee lebte; vielleicht gab es eine unterirdische Verbindung zum Meer. Der Seewurm war mindestens fünfzig Fuß lang; Amsel sah die Windungen seines Schwanzes aus dem Wasser herausragen. Mit einem Teil seines Körpers hatte er sich um den Hals des Drachen gewunden und bemühte sich, ihn zu erwürgen. Er gab keinen Laut von sich außer dem Peitschen der Flimmerhaare auf seinem Kopf. Der Drache krümmte seinen Hals und befreite sich so aus dem Griff des Seewurms, um dann seine Kiefer in den schuppigen, sehnigen Hals zu schlagen. Der Seewurm schlug wild um sich und bewegte sich dabei rückwärts; sein Gewicht brachte den Drachen aus dem Gleichgewicht, so dass er nach vorn stürzte, auf seinen linken Flügel. Amsel zog sich hinter die Mineralablagerungen zurück, um nicht zerquetscht zu werden. Er spähte hinaus und sah, wie der Drache sich aufraffte und die Ozeanschlange langsam aus dem See zerrte – rotes Blut lief ihr über den Hals. Der Drache schüttelte den Seewurm, und Amsel hörte ein lautes Knacken, dann durchnässte ihn ein zweiter Wasserschwall, als die Zuckungen des sterbenden Seewurms das Wasser zu Schaum aufpeitschten. Langsam erhob sich der Drache und trat zurück. Er breitete den linken Flügel aus und schlug ihn prüfend auf und ab.
    »Bist du verletzt?«, rief Amsel.
    »Ja«, sagte der Drache, »aber ich kann noch fliegen. Komm schnell, bevor der Flügel steif wird. Es wird bald Nacht.«
    Er senkte den Kopf, damit Amsel hinaufklettern konnte. Amsel rieb sich die Schulter, wo das Flimmerhaar seinen Ärmel aufgeschlitzt und auf der Haut einen roten Striemen hinterlassen hatte. Dann kletterte er auf seinen hohen Sitz, und als er dort sicher angekommen war, erhob der Drachen sich wieder in die Lüfte. Er flog unsicher, weil er seinen linken Flügel schonen wollte, und war nicht mehr so schnell wie vorher. Aber trotzdem war er offensichtlich entschlossen, weiterzufliegen.
    »Er will mir jetzt helfen, was auch geschehen mag«, murmelte Amsel. »Die Legende sagt die Wahrheit, wenn sie von der Tapferkeit der Drachen spricht.«
    Eine Frage kam ihm in den Sinn. Er lehnte sich vor, näher zum Ohr des Drachen, und schrie: »In allen Legenden heißt es, dass Drachen Feuer speien können. Die Wärme, die von dir ausgeht, zeigt, dass die Flamme immer noch brennt. Warum hast du sie nicht gegen den Seewurm benutzt?«
    »Es stimmt«, brüllte der Drache, »dass die Flamme immer noch schwach in mir brennt. Nur die Feuerdrachen sind mit der Flamme gesegnet; die Frostdrachen haben sie nicht, und das ist einer der Gründe, warum sie uns gehorcht haben. Die Drachenflamme darf nicht leichtfertig benutzt werden oder aus selbstsüchtiger Absicht und nie, um ein Leben zu beenden. Von Anfang an haben wir das für richtig gehalten. Mit mir wird die Flamme sterben; ich werde ihrem Sinn nicht zuwiderhandeln.«
    Amsel fragte nicht weiter. In der Antwort des Drachen hatte ein sanfter, aber unmissverständlicher Tadel gelegen, als habe Amsel sich in Dinge eingemischt, die ihn nichts angingen. Nur: Wenn der Letzte Drache sich weigerte, seine Flamme zu benutzen – wie wollte er dann all den Frostdrachen begegnen, noch dazu mit einem verletzten Flügel?
    Obwohl diese bevorstehende Begegnung Amsel entsetzte, war er entschlossener denn je, für die Sicherheit Fandoras und Simbalas zu sorgen – und koste es ihn sein Leben.
    Und als hätte der Letzte Drache Amsels Gedanken gelesen, schien er plötzlich schneller und kräftiger zu fliegen. Gemeinsam flogen sie nach Norden, in die eisige Region der Frostdrachen, ein winziger Mensch und ein riesiger Drache, einer so tapfer wie der andere.
    Als die dritte Stunde des Nachmittags begann, waren die Vorbereitungen für die Krönungsfeier beendet. In Übereinstimmung mit der simbalesischen Verfassung fand die Zeremonie auf dem Podium von Beron statt, wo vor nicht allzu langer Zeit Prinz Kiorte geehrt worden war. Den ganzen Vormittag waren schon am Monarchenmarsch entlang die Fahnen gehisst, und Öldochte in ausgehöhlten Edelsteinen warfen ihr farbiges Licht im Schatten der großen Bäume. Schon begannen Bürger aus Oberwald, sich entlang dem Monarchenmarsch aufzustellen. Viele betrachteten die Krönungsfeier als Zeichen für ein

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