Drachenland: Roman (German Edition)
zurück.«
Evirae nickte und beschleunigte ihre Schritte. Mesor folgte ihr mit den Augen und lächelte.
Hinter ihm gingen Baron Tolchin, Vorsitzender der Kaufmannsgilde, und Baronesse Alora, die Vorsitzende der Kämmerer Simbalas. Beide waren klein und rundlich und sahen einander bis auf den wehenden weißen Bart des Barons sehr ähnlich, wie es bei älteren Ehepaaren häufig der Fall ist. Trotz der Hitze trugen beide Kleider aus Seide und Hermelin. Sie schlenderten dahin und unterhielten sich angeregt in dem bei den Kaufleuten Simbalas üblichen singenden Tonfall.
»Die Karawane müsste inzwischen die Grenze des Südlands erreicht haben«, sagte Tolchin. »Ich bin froh, dass Falkenwind die Truppen zu ihrem Schutz geschickt hat.«
»Die Bergräuber werden es sich diesmal wohl anders überlegen«, stimmte Alora zu. »Und das ist gut so. Unsere Verluste begannen schon dem Handel mit dem Südland zu schaden.«
Tolchin nickte: »Unser Land kann ohne Handel nicht leben. Es wurde Zeit, dass Falkenwind uns hilft. Ich habe mir Sorgen gemacht seit jener Auseinandersetzung über die Jagd seltener Vögel in Nordwelden. Jetzt bin ich bereit, dem jungen Mann eine Chance zu geben, und sei es nur aus Achtung vor meinem Vetter Ephrion. Bist du auch der Meinung, Alora?«
Seine Gemahlin antwortete nicht. Sie hatte in der Menge das vertraute Gesicht eines Bankiers entdeckt und dachte darüber nach, wie man den Gerüchten über seine Affären ein Ende setzen könnte.
Die Prozession führte durch den Wald, der von Musik, Gesang und Tanz widerhallte. Wer immer der Prozession nicht folgte, bevölkerte die Straßen und Wege, um zuzuschauen, zu winken und zu jubeln. Mochten die Bürger Falkenwind mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen, über Kiorte waren sich alle einig. Die Nachricht von der Bergung des Windschiffes ließ ihn in noch hellerem Glanz erscheinen als zuvor. Er war der Held des Tages.
Nicht alle Zuschauer aber jubelten. Von einem günstig gelegenen Baum in der Nähe des Podiums von Beron aus beobachtete der Nordweldener Willen das Nahen der Bürger von Oberwald. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, sagte er sich. Bald musste sich zeigen, was für eine Art von König Falkenwind wirklich war. Der Bogenschütze war immer noch nervös wegen der bevorstehenden Begegnung, aber er musste dem Monarchen die Botschaft aus Nordwelden überbringen, und wenn seine Rede für den Geschmack der Leute hier zu einfach war, so würde sie doch für seine Mission ausreichen.
General Vora war von dem Fußmarsch nicht begeistert. »Ich habe von Anfang an gesagt, es sei ein Fehler, einen Monarchen zu wählen, der eine körperliche Tätigkeit ausgeübt hat.« Er ächzte.
Ephrion entgegnete: »Wie wird es dir ergehen, wenn du erst mein Alter erreichst, Vora! Du wirst jemanden einstellen müssen, der dich mit einer Schubkarre durch die Gegend fährt!«
»General«, fügte Ceria lächelnd hinzu, »Ihr solltet Euren Truppen ein Vorbild sein!«
»Das bin ich«, sagte der General. »Sie brauchen nur einen Blick auf meine wohlgenährte Figur und auf meine feinen Kleider zu werfen, dann werden sie beseelt sein von dem Wunsch, sich hochzudienen.«
Darüber musste Falkenwind plötzlich lachen – ein lautes, ungestümes Lachen. Ceria blickte ihn erstaunt an. In letzter Zeit hatte sie ihn überhaupt nicht mehr lachen hören.
Falkenwind war ihr ein Rätsel, genauso wie sie offensichtlich ihm eines war. Sie hatten nicht absichtlich Geheimnisse voreinander, waren aber beide von zurückhaltender Natur.
Als sie ihn kennengelernt und sich in ihn verliebt hatte, war er ein dunkeläugiger Bergmann gewesen, voller Leben und stets zum Lachen bereit. Jetzt war er König von Simbala, nicht weniger liebevoll, aber oft ernst und schweigsam, mit Staatsangelegenheiten beschäftigt. Er war als Erster aus den stolzen Reihen derer, die in den Höhlen arbeiteten, in die königliche Familie von Simbala aufgestiegen. Er schien mit der Familie vertrauter zu sein als sie selbst. Schließlich kam er aus Oberwald, sie dagegen nicht. Sie war eine Rayanerin, eine Frau aus Simbala, gewiss, aber eine Tochter der Valian-Ebene und des unsteten Wanderlebens. Sie hatte rayanische Fähigkeiten, für die es in Oberwald nicht einmal Worte gab. Ceria wusste, dass sie beneidet wurde, aber mehr noch, sie fühlte auch, dass man sie fürchtete. Das bekümmerte sie. Ressentiments gab es unter ihren Leuten nicht. Die Rayaner vertrauten einander; sie mussten einander vertrauen, weil
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