Drachenland: Roman (German Edition)
gegen einen Krieg stimmen zu können. Außerdem fiel ihm Eviraes Abwesenheit auf, aber er hatte jetzt keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Falkenwind trat vor, um zu den Familien zu sprechen; die Akustik in der Höhle ließ den nahen Wasserfall nur wie ein sanftes Murmeln klingen.
»Ihr seid in Frieden gekommen«, sagte er ernst, »um über eine Angelegenheit abzustimmen, die mit Krieg enden kann.« Er ließ seine Blicke über die Reihe von Männern und Frauen schweifen. »Ich bitte euch nur um eines: Denkt an das Wohl Simbalas, nicht an die Angelegenheiten des Palastes oder der königlichen Familie.«
Baron Tolchin beugte sich zu seiner Frau hinüber. »Schlecht gewählte Worte«, brummte er.
Falkenwind fuhr fort. »In Nordwelden ist ein Kind getötet worden. Etwas Schlimmeres gibt es nicht. Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Wir müssen sie beschützen, um jeden Preis, aber es gibt keine Veranlassung, ein armes und unwissendes Volk anzugreifen.«
Bei diesen Worten lief ein Murmeln durch die Menge. Falkenwind spürte die Unruhe und hielt sich an Ephrions Rat, die Ansprache einfach und kurz zu halten. »Es darf keinen Krieg geben«, fuhr er fort. »Ich werde alles tun, um herauszufinden, warum das Kind getötet wurde. Bis wir die Wahrheit kennen, müssen wir zusammenhalten, um die Probleme zu lösen, die die Überflutung der Stollen aufgeworfen hat. Ich habe eine Nachricht ins Südland geschickt und unsere Truppen zur Rückkehr aufgefordert. Sobald sie eingetroffen sind, werden sie Nordwelden überwachen, um unsere Kinder zu beschützen. Andere werden in den Bergwerken aushelfen. Macht euch keine Sorgen wegen einer Invasion. Fandora greift Simbala nicht an! Unser Wald ist geschützt! Unser Volk ist stark!«
Die letzten Worte gefielen General Vora, und er nickte begeistert, während Falkenwind zur Abstimmung aufrief.
Die erste Reihe der Familienvertreter näherte sich dem Wasserfall, um entweder den dunklen oder den klaren Edelstein in den Teich zu werfen. Die Edelsteine glichen den Sindril-Edelsteinen, aber anstatt sich zu entzünden, wenn sie nass wurden, verursachte ihre chemische Zusammensetzung eine Veränderung in der Farbe der Flüssigkeit. Eine Überzahl von dunklen Steinen würde das Wasser rot färben – das bedeutete Krieg. Die hellen Steine würden die Farbe des Flusses in ein tiefes Blau verwandeln.
Falkenwind warf den ersten Stein – dies war ein alter Brauch, mit dem er seine Bereitschaft erklärte, das Volk entscheiden zu lassen. Der Stein, ein Diamant, flog durch den Dunst über dem Wasserfall und versank im See. Falkenwind verließ das Podium, und die Abstimmung begann.
Reihe für Reihe gaben die Familienvertreter mit einem Wurf ihre Stimme ab. Als Erster schleuderte ein Mann aus Nordwelden, ohne zu zögern, einen dunklen Stein in den See, und ein blutroter Fleck erschien auf der Oberfläche.
Als Nächster folgte ein Vertreter der Bergarbeiter. Sein Stein war hell, und die rote Färbung wurde vorübergehend durch Blau ersetzt. Es fielen weitere dunkle Steine, dann wieder helle und wieder dunkle. Ceria, Ephrion und der General beobachteten die feinen Farbabstufungen im See. Die Stimmen lagen nahe beieinander, zu nahe. Der See wechselte ständig die Farbe. Doch als der letzte Stein geworfen war, wurde das Wasser langsam, fast überraschend, blau.
Ceria lächelte strahlend und blickte zu Falkenwind. Durch den Dunst über dem Wasserfall sah sie die Erleichterung in seinem Gesicht. Es würde Frieden sein, wenn die Wahl auch knapp ausgegangen war. Das wurde durch das Grollen in der Menge überdeutlich.
Zusammen mit Ephrion und Vora machten sich Ceria und Falkenwind auf den Rückweg, Falkenwind voller Stolz und Befriedigung, Ceria voller Erleichterung. Ihre dunklen Vorahnungen hatten sich also nicht bewahrheitet.
Hinter ihnen gab es hitzige Debatten über das Ergebnis der Senatsabstimmung. Falkenwinds Anhänger waren begeistert. Zum ersten Mal war er in einer wichtigen Angelegenheit als Monarch auf die Probe gestellt worden, und er hatte bestanden. Viele traten mit Worten der Ermutigung zu ihm, und er empfing sie herzlich mit einem Händedruck und einem ungewöhnlich warmen Lächeln.
Kurze Zeit später wurden die Türen geöffnet, und die Menge kehrte zurück ans Tageslicht.
Der Jubel verwandelte sich in Erstaunen, als plötzlich fünf Brüder des Windes auf den Stufen vor dem Tunnel standen. Thalen, Kiortes Stellvertreter, trat vor.
Mit einem wachsenden Gefühl der Gefahr sagte
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