Drachenland: Roman (German Edition)
ihm angemessen, auf diese Art isoliert zu sein – ihm, der weder Feuerdrache noch Frostdrache war, sondern beiderlei Blut in sich trug. Er war in Isolation aufgewachsen. Wenn Feuerdrachen oder Frostdrachen von seiner Existenz gewusst hätten, wäre er entweder verbannt oder getötet worden. Er war immer allein gewesen, und jetzt würde sich das nicht mehr ändern.
Der Düsterling schlug mit den Flügeln und stieß einen Schrei der Qual aus. Die Frostdrachen antworteten aus ihren Höhlen auf den Schrei. Sie wussten von seiner Qual, verstanden sie aber nicht. Verstanden sie nie.
24
Neun Menschen waren im Schlafzimmer von Prinz Kiorte und Prinzessin Evirae versammelt. Vier gehörten zur königlichen Familie: General Jibron, Lady Eselle, Baronesse Alora und ihr Gemahl, Baron Tolchin. In der Nähe der Tür standen Mesor und ein zuverlässiger Palastwächter. Evirae lag in einem Bett an der Nordseite des Zimmers und erholte sich noch von den Folgen des Tunneleinbruchs. Neben ihrem Bett stand Kiorte, in einen Umhang gehüllt, und beobachtete seine Gemahlin mit verschleierten Augen.
Auf dem Bettrand saß der junge Arzt, der sie in den Palast begleitet hatte. Er hatte gerade für beide Ruhe verordnet, aber es war durchaus nicht ruhig im Raum.
»Ihr sagt, ich sei nicht ernsthaft verletzt«, beklagte Evirae sich, »aber Ihr besteht darauf, dass ich im Bett bleibe. Das ist doch unsinnig! Schlagt mir ein Heilmittel vor, und kehrt zu denen zurück, die Euch brauchen.« Sie setzte sich im Bett auf.
Der Arzt machte einen heroischen Versuch, seine Anweisungen zu erklären. »Ihr mögt Euch im Augenblick munter fühlen, aber danach kann die Erschöpfung einsetzen. Medizin ist eine Kunst, kein Gewerbe. Widersprecht mir bitte nicht.«
»Unsinn!«, sagte Evirae. »Wie könnt Ihr wissen, was mir guttut? Ihr seid nicht älter als ich. Seht mich an! Sehe ich etwa krank aus?«
Der Arzt sah die Prinzessin an. Ihr langes Haar fiel ihr in wirren Locken über Rücken und Schultern. Ihre rechte Wange war von einem herunterfallenden Felsbrocken aufgeschrammt, und sie trug nur einen einfachen braunen Seidenumhang. An ihrer blassen Haut hing immer noch ein Hauch von Schlammgeruch.
»Ihr seid so schön wie stets«, sagte der Arzt. Müde nahm er eine kleine seidene Tasche vom Bett auf. »Ich muss Euch jetzt verlassen.«
Evirae lächelte hinter ihm her und fragte dann ihren Vater: »Was ist denn so dringend, dass du und Tolchin vom Palast hierhergeeilt seid? Hat unser Bergmann die Fandoraner zum Tee eingeladen?«
»Scherze nicht«, sagte ihr Vater. »Er hat …«
»Warte«, sagte Kiorte. »Dies ist eine Angelegenheit der Familie, nicht des Kreises.«
Alle Augen richteten sich auf Mesor.
»Ich werde draußen warten«, sagte der Kämmerer.
»Unten«, schlug Tolchin vor.
Der Kämmerer nickte. »Selbstverständlich. Ich werde mich im Garten mit einem Baumbären unterhalten.«
Jibron wartete, bis Mesors Schritte verhallten, und fragte dann: »Warum duldest du diesen Mann an deiner Seite, Evirae?«
»Meine Gemahlin hat viele Pläne«, warf Kiorte ein. »Mesor unterstützt sie, wenn ich nicht zustimme.«
»Mesor ist nur ein Ratgeber«, meinte Evirae sanft. »Die Bedrohung durch die Armee Fandoras lastet schwer auf mir. In Staatsangelegenheiten vertraue ich nur dir, Liebling.«
»Die Sache ist immer schlimmer geworden«, sagte Jibron. »Die Fandoraner sind bereits bei den Hügeln, die dem Wald gegenüberliegen.«
Kiorte schüttelte den Kopf und ging langsam zu Tolchin hinüber. »Mein Bruder hat den Windseglern doch sicher befohlen, die Eindringlinge zurückzutreiben!«
»Thalen hat von Falkenwind andere Befehle erhalten. Der Bergmann hat sich sowohl dem General als auch mir offen widersetzt!« Tolchin zog das Rubindiadem aus seiner Westentasche. »Vielleicht wird dies euch überzeugen!«
Lady Eselle hielt den Atem an. »Du hast den Rubin!«
Alora fragte: »Was wirst du damit anfangen, Tolchin?«
»Falkenwind sieht keine Veranlassung, ihn zu tragen. Er ist ein Abtrünniger und ein Verräter.«
»Das kann ich nicht so ohne Weiteres akzeptieren«, sagte Kiorte, während er den Edelstein in die Hand nahm. »Falkenwind ist, wenn schon nicht uns, so doch Ephrion treu ergeben. Warum sollte er seine Stellung aufs Spiel …«
»Er nimmt der Familie ihre Ansichten übel«, sagte Jibron. »Er und Vora denken, sie können Oberwald ohne uns regieren. Sie wollen die Fandoraner mit einer kleinen Flotte von Windschiffen aus den Hügeln
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