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Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert

Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert

Titel: Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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Vorwarnung.
Kitiara oder Gilon oder einer der Jungen fanden sie auf dem
Boden liegend vor und mußten ihr ins Bett helfen. Dann erlitt
Rosamund für kurze Minuten oder endlose Wochen einen ihrer
Anfälle, in denen sie qualvolle, entsetzliche Visionen erdulden
mußte, die jedermann befremdeten.
Eigentlich gebrauchte nur Bigardus das Wort »Visionen«.
Woraus sie bestanden und was ihre Mutter tatsächlich sah,
konnte Kit kaum erraten. Die Anfälle kamen aus heiterem
Himmel. Ganz plötzlich verzerrte sich Rosamunds Gesicht,
und sie fuchtelte mit den Armen herum. Manchmal sprang sie
sogar erstaunlich kraftvoll aus dem Bett und rannte im Zimmer
herum, wobei sie mit einer unverständlichen Wut Möbel
umwarf und Sachen kaputtmachte. Die Worte, die sje
hervorbrachte, waren wirr und sinnlos. Warnungen, die sie
Gregor, den Zwillingen oder Kitiara zubrüllte. Unsinnige
Warnungen.
Einmal hatte die verwirrte Rosamund Kitiara mit ihrem
Holzschwert gesehen und die Tochter für deren Vater gehalten.
Sie hatte senkrecht im Bett gesessen, die Hände ausgestreckt
und mit bemitleidenswerter Freude ausgerufen:
»Gregor, du bist zu mir zurückgekommen!«
Als Kit daran dachte, rümpfte sie die Nase. Gregor war
schon vor sechs Wintern ohne ein Wort verschwunden.
Wenn Rosamund zu aufgeregt wurde, mußten sie sie
manchmal ans Bett binden. Und wenn ihre Mutter
– nach
Stunden, Tagen oder Wochen
– aus einem ihrer Anfälle
aufwachte, konnte sie sich an nichts erinnern. Sie sank völlig
kraftlos auf ihr Kissen zurück, und ihr schweißnasses, weißes
Haar klebte strähnig um ihr Gesicht. Nach einem solchen
Anfall, das wußte Kitiara aus Erfahrung, war ihre Mutter noch
nutzloser und noch unwichtiger für das Alltagsleben der
Familie.
Kitiara hatte sich alles selbst beigebracht – wie man kochte,
wie man nähte und flickte, wie man auf die Jungen achtgab und
sie erzog. Abgesehen vom Kochen gelang ihr das alles
vielleicht nicht allzu gut, aber – bei den Göttern – sie tat es.
Und Kit war stolz auf das, was sie getan hatte, stolz auf ihr
Überleben, auch wenn sie die Haushaltspflichten haßte.
Kit erinnerte sich, daß sie ihrer Mutter vor langer Zeit eine
Art Liebe entgegengebracht hatte. Es mußte Liebe gewesen
sein. Was sollte es sonst gewesen sein? Aber heutzutage fühlte
sie ihr gegenüber nichts als Mitleid. Mitleid und wachsende
Distanz.
»Ein Vogel!« rief Kitiara aus, die überrascht in die
Gegenwart zurückkehrte. Wieder sah sie Raistlin an, der sie
von der Leiter aus beobachtete, als versuchte er, ihre Gedanken
zu lesen. Sie griff hin und knuffte ihn liebevoll ans Ohr. »Du
hast mit einem Vogel geredet! Das heißt… «
Sie stürzte an ihm vorbei und schwang sich nach unten.
Nachdem sie durchs Zimmer gelaufen war, riß Kit einen
Fensterladen auf. Sonnenstrahlen strömten durchs Fenster
herein.
Frühling! Sonnenschein, blauer Himmel, duftender Wind
und wirklich: Vögel, überall Vögel.
»Frühling!« Zufrieden lehnte sie sich auf die schmale
Fensterbank.
»Das versuche ich dir doch die ganze Zeit zu sagen«, meinte
Raistlin ernsthaft, der ihr gefolgt war. »Was glaubst du denn,
wovon ich geredet habe?«
Sie schaute aus dem Fenster. Der Schnee, der gestern
nachmittag noch stellenweise gelegen hatte, war praktisch
verschwunden. Der Boden war naß, und überall lugten
Knospen und Blümchen heraus. Die Welt war hell und bunt.
Von etwas weiter entfernt hörte sie Musik und Gelächter, den
Auftakt zu einem Fest. Da fiel ihr ein, daß heute der erste
Morgen des jährlichen Marktes des Roten Mondes war.
Begeistert machte sie sich daran, Hosen und Stiefel
anzuziehen. Sie stellte fest, daß Gilon bereits aufgebrochen
war, zweifellos zum Holzfällen. Jeden Morgen stand ihr
Stiefvater bei Tagesanbruch auf und ging an die Arbeit, immer
in Begleitung der treuen Amber. Gilon war ein Eigenbrötler
und Geheimniskrämer, was sein Holzfällen anging
– wie ein
Fischer, der seine Lieblingsfangplätze hütet. Er hatte Kitiara
nie gebeten, ihn zu begleiten. Darüber war sie allerdings froh.
Als einziges von den Geschwistern war der kräftige kleine
Caramon einmal eingeladen worden, mitzukommen. Als er von
dem Tag im Wald zurückkam, sagte er nicht viel. »Menge
Arbeit«, vertraute er Kit und Raistlin an. »Langweilig.«
Rasch durchquerte Kit mit Raistlin im Schlepptau den Raum.
Sie spähte durch den handgewebten Vorhang, den Gilon im
Eingang zu dem Kämmerchen aufgehängt hatte, das ihm und
Rosamund als Privatraum diente. Ihre Mutter

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