Drachenlanze - Die Stunde der Diebe
Anhieb richtig machen
würde. Was soll ich da bloß sagen?« stöhnte er, während sich
sein Gesicht zu einer sarkastischen Grimasse verzog. »>Ja,
Madame, ich habe es gemacht, wirklich. Es ist wunderschön.
Leider habe ich einen fingerfertigen Kender damit abziehen
lassen<. Ich wäre zutiefst gedemütigt. Und was noch
schlimmer ist, wenn sich das herumspricht, ist mein Ruf als
Goldschmied zum Teufel!«
Flint, der immer noch Tanis festhielt, sah zur Tür. »Otik, was
meinst du, wie lange der Kender schon weg ist?«
»Vier Stunden vielleicht.«
»Du spielst doch nicht etwa mit dem Gedanken, ihm zu
folgen?« fragte Tanis ungläubig. »Du weißt doch nicht einmal,
welche Richtung er eingeschlagen hat.«
»Natürlich weiß ich das. Er wollte mit dem Wind ziehen.«
Flint ließ Tanis los, steckte einen Finger in den Mund und
starrte ihn dann an. »So werde ich feststellen, wo er hin ist.«
Tanis’ skeptische Miene ärgerte den verzweifelten Zwerg.
»Habe ich eine andere Wahl? Er hat höchstens vier Stunden
Vorsprung. So wie Kender reisen, wie sie stehenbleiben, um
mit Käfern und Wolken zu reden und weiß Reorx für anderen
Quatsch zu treiben, kann ich ihn wahrscheinlich einholen, das
Armband aus ihm herausschütteln und mit etwas Glück noch
vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein.«
»Und wenn deine Kundin am Stand auftaucht, um nach dem
Armband zu fragen, während du weg bist?«
Flint dachte einen langen Augenblick darüber nach. »Du
kennst meine Waren so gut, daß du hierbleiben und den Stand
aufmachen könntest. Halt sie hin, wenn sie auftaucht – sag ihr,
daß ich noch daran arbeite oder so.«
Tanis hielt abwehrend die Hände hoch und wich zurück.
»Oh, nein, daraus wird nichts. Ich bleibe doch nicht hier und
halte für dich den Kopf hin – außerdem bin ich überhaupt nicht
gut im Lügen, das weißt du genau.« Tanis schüttelte mit
Nachdruck den Kopf. »Nein, wenn du dem Kender hinterher
willst, komme ich mit. Wir können schließlich ein Schild am
Stand aufhängen, wo draufsteht: >Vorübergehend geschlossen
oder so was.«
Flint sah die Welt schon wieder etwas optimistischer. »Das
könnte gehen. Also gut. Laß uns aufbrechen, bevor dieser
Kender uns noch eine Meile weiter voraus ist. Und wenn wir
ihn finden, dann leg ich meine Finger um seinen mageren,
kleinen Hals und drück zu, bis – «
»Bis er das Armband zurückgibt, und dann läßt du ihn los«,
warnte Tanis. »Ich komme nämlich unter anderem auch mit,
um einen Mord zu verhindern.«
»Das werden wir ja sehen«, murmelte Flint.
Kapitel 4
Düsterweg
Tolpans klare, schwungvolle Stimme eilte ihm auf der Straße
nach Süden voraus. Seit er bei Tagesanbruch das Wirtshaus
»Zur Letzten Bleibe« verlassen hatte, hatte der Kender
bestimmt schon vier oder fünf Meilen zurückgelegt. Um sich
die Zeit zu vertreiben, sang er das Wanderlied der Kender.
Deine einzige Liebe ist ein Segelschiff, Das ankert bei uns
am Kai. Wir hissen die Segel, bemannen die Decks, Wir
schrubben die Eullaugen frei.
Und, hoi, unser Leuchtturm leuchtet ihm, und, hoi, unsere
Küste ist warm.
Wir steuern es sicher zum Hafen hin – In jeden Hafen bei
Sturm.
Die Seeleute stehen auf den Docks, In Schlangen stehen sie
an, So gierig wie ein Zwerg nach Gold Und Zentauren nach
billigem Wein.
Denn alle Seeleute lieben es Und strömen herbei, wenn es
naht, Denn jeder hofft, daß er mitfahren kann, Wenn’s losgeht
auf große Fahrt.
Es war ein ungewöhnlich erfreulicher Morgen, ganz wie es
der Kender liebte. Freundliche Sonnenstrahlen, die durch die
bunten Glasfenster in sein Zimmer fielen, hatten ihn geweckt.
Der strahlende Sonnenschein hatte es ihm praktisch unmöglich
gemacht, noch länger im Bett zu bleiben. Dann war das beste
Frühstück seit Monaten gefolgt: Würzkartoffeln, pochierte
Enteneier und Rosinenbrötchen mit frischer Butter. Die
komischen Geschichten des Wirts Otik hatten es noch leckerer
schmecken lassen.
Tolpan schwor sich, daß er eines Tages nach Solace
zurückkehren würde. Der Ort war so schön, daß man ihn
mindestens zweimal besuchen mußte. Bis dahin – nun, diese
Zeit im Leben eines Kenders trägt nicht ohne Grund den
Namen »Wanderlust«.
Kein Kender kann den Gedanken an einen leeren Magen
ertragen, deshalb hatte er vor Verlassen der Stadt natürlich
noch Proviant eingekauft. Unter dem Arm trug er wie einen
Ball einen hellen, knusprigen Brotlaib, und in seinem Beutel
steckten ein orangefarbenes kleines Käserad und eine Flasche
frischer
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