Drachenlanze - Ungleiche Freunde
Meister Feuerschmied«, gab sie zur Antwort.
Flint ging hinüber und machte den Schrank auf, um die
vielen Spielsachen zu zeigen, die er den Winter über in Solace
geschnitzt hatte. Ein paar hatten die Flucht auf dem Rücken
eines tylorscheuen Maultiers nicht überlebt, aber die meisten
waren noch gut. Er betrachtete den Schrankinhalt, suchte eine
Pfeife aus, die der Kleine nicht verschlucken konnte und gab
sie dem Jungen in die Hand. Der blies so wild hinein, daß der
Zwerg auf der Stelle wünschte, er hätte etwas anderes
ausgewählt. Flints dicke Hände glitten weiter über das
Spielzeug, nahmen eins hier, eins da heraus, bis über ein
Dutzend in den Vordertaschen seiner losen Ledertunika
steckten.
Minuten später saß das Kind glücklich am Ende von Flints
Feldbett, baute auf seiner Kleidertruhe einen Haufen Holztiere
auf und stieß’ zwischendurch lustvoll in die Pfeife. Flint
wartete, daß das Wasser in dem Eisenkessel über der Esse
kochte, und Eld Ailea füllte eine verlockende Mischung aus
getrockneten Orangenschalen, Zimtstückchen und Tee in ein
Teesieb. Sie hielt inne, um an dem Gemisch zu riechen.
»Wunderbar«, sagte sie leise seufzend. »Das erinnert mich an
den Tee, den wir in meiner Familie tranken, als ich klein war.«
»Wo seid Ihr aufgewachsen?« fragte Flint spontan. Der
Gewürztee, den er jedes Jahr aus Solace mitbrachte, war eher
eine Menschenspezialität als eine elfische. »In Kargod«, sagte
sie. »Mein Vater wurde aus Qualinost verbannt.«
»Weshalb?« fragte Flint, ohne nachzudenken. Die Elfen
verbannten selten jemanden. Es mußte nach den Gesetzen der
Qualinesti ein wirklich schweres Verbrechen gewesen sein.
»Er war der Kopf einer Bewegung, die Qualinesti für
Ausländer öffnen wollte«, erläuterte sie. »Er wurde verbannt.
Seine Familie kam natürlich mit. Schließlich ließen wir uns
in Kargod nieder, wo die Familie entfernte Verwandte hatte.«
Menschliche, dachte Flint. Da ist das Bindeglied. »Ich wurde
von ein paar Klerikern zur Hebamme ausgebildet, und als ich
alt genug war, kehrte ich hierher zurück.«
»Warum?« Das Wasser kochte, und Flint hob den Kessel
vom Feuer. Mit einer dicken Wollsocke als Topflappen – fast
sauber, fand er, da er sie erst einen Tag getragen hatte – hob er
den Topf über den Tisch und goß Wasser über die Teeblätter in
eine schwere Keramikkanne.
Ein trauriger Ausdruck glitt über Eld Aileas Gesicht, war
jedoch so schnell verschwunden, daß Flint sich nicht sicher
war, ob er tatsächlich dagewesen war. »Ich hatte keine Freunde
außer Menschen, und als ich endlich erwachsen war, waren sie
alle aus Altersgründen gestorben. Ich kannte ein paar kleine
Zaubertricks – Tränke gegen Wehenschmerzen, Illusionen, um
Kinder zu beschäftigen, und so –, aber ich konnte nichts
dagegen tun, daß meine Jugendfreunde alterten und starben.«
Flint fragte sich, ob unter diesen vor langer Zeit verstorbenen
Freunden ein besonderer Mann, ein geliebter Mensch, gewesen
war, dessen Tod die Trauer in den Augen der alten Elfin
verursacht hatte. Während sie so am Tisch saß und
gedankenverloren das Teesieb durch die Kanne zog, sah sie ins
Leere und sagte beiläufig: »Meine Eltern waren tot. Es gab
nicht viele andere Elfen in Kargod. Ich war einsam, deshalb
kam ich hierher zurück.«
Ein Hauch von Zimt und Orange wehte von der dicken
Kanne herüber. Das Kind drüben auf Flints Feldbett war auf
dem Rücken eingeschlafen, eine kleine Holzkuh in der einen
Faust, ein Schaf in der anderen. Eld Ailea fuhr – plötzlich
fröhlicher – fort: »Ich passe hierher besser als dorthin.«
Sie sah auf und mußte das Mitgefühl in Flints Blick bemerkt
haben, denn ärgerlich kniff sie die grünbraunen Augen
zusammen. »Werdet bloß nicht mitleidig, Meister Flint
Feuerschmied«, sagte sie. »Ich habe meinen Weg selbst
gewählt.«
Er suchte nach passenden Worten.
»Kann ich Euch bestimmt kein Bier anbieten?« fragte Flint.
Eid Ailea warf ihm einen strengen Blick zu. »Ich bin im
Dienst«, sagte sie nur.
Sie saßen noch ein Weilchen da und schlürften Tee, bis Flint
einfiel, daß ja schon fast Mittagszeit war. Also holte er QuithPa heraus und schnitt ein paar Scheiben Käse ab, und Eld Ailea
nahm Teller aus dem Schrank. Flint war auf einer seiner Reisen
in Kargod gewesen, und die beiden unterhielten sich über die
Stadt. Offenbar hatte Eld Ailea sie schon vor Flints Geburt
verlassen. Dann zeigte ihr Flint, wie er den Stehaufvogel für
den Kleinen gemacht hatte und schenkte ihr noch
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