Drachenlanze - Ungleiche Freunde
Werkbank und musterte es kritisch.
Es war immer noch roh und unfertig – eigentlich nichts weiter
als ein platter Stahlstreifen –, aber schon bald genug würde es
etwas ganz anderes sein: ein hinreißendes Schwert. Flints blaue
Augen glänzten, denn unter der schwarzen Oberfläche des
Stahlstücks konnte er schon die fertige Waffe sehen, wie sie
glatt und schimmernd dalag.
Der Zwerg wischte sich Schweiß und Dreck von der Stirn
und trank etwas Wasser aus der Blechkelle, die in der Ecke in
einem Eimer steckte. Dann setzte er sich auf einen niedrigen
Holzstuhl und schloß einen Moment die Augen. Erst vor zwei
Tagen war er in Qualinost angekommen, und schon kam es
ihm so vor, als wäre er den Winter über gar nicht fortgewesen.
Wie lange war der Tag her, an dem er die Stadt zum ersten Mal
betreten hatte? Ziemlich genau zwanzig Jahre, dachte er,
während er die Augen aufschlug, um aus dem Fenster zu sehen.
Draußen blitzten die jungen Espenblätter smaragdgrün und
silbern im Sonnenlicht.
Er fühlte sich in Qualinost wohl, und trotz der gelegentlichen
unfreundlichen Blicke von Lord Xenoth, Litanas, Ulthen und
Tyresian – Blicke, die wegen Flints Vertrautheit mit der
Stimme der Sonne selten zu Kommentaren führten – kam es
dem Zwerg fast so vor, als wenn er mehr in diese Elfenstadt
gehörte als an jeden anderen Ort in Krynn. Nicht zum ersten
Mal fragte er sich, was wohl seine Verwandten im
Zwergendorf Hügelheim jetzt von ihm denken würden.
Ein leises Läuten klang durch die rauchige Luft, und Flint
sah, wie sich die Tür zu seinem kleinen Geschäft öffnete.
Hastig warf er ein Tuch über das Stahlstück auf der Werkbank.
Er wollte die Überraschung nicht verderben.
»Flint! Lebst du noch?« fragte Tanis, der Halbelf, lächelnd.
»Und ich dachte schon, ich müßte deine Beerdigung in die
Wege leiten.«
Flint griff eilig nach seinem Taschentuch, schnaubte und
setzte einen kränklichen Gesichtsausdruck auf. »Wie meine
Mutter immer sagte: >Man soll den Tag nicht vor dem Abend
loben<«, meinte er.
Auf dem Gesicht des Halbelfen stand Unverständnis. Die
Sprichwörter von Flints Mutter hatten häufig diese Wirkung.
Dann zuckte er mit den Schultern und kam richtig herein.
»Hast du Lust zu einem neuen Abenteuer, Flint? Ich dachte,
wir könnten vielleicht noch mal nach dem Tylor suchen.«
Unverschämter Kerl, dachte Flint und grinste wieder.
»Du hast es immer noch nicht in deinen Dickschädel
gekriegt, was, Junge?« murrte der Zwerg. »Ich hab zu tun. Ich
kann nicht den ganzen Tag eitel durch die Straßen stolzieren
wie andere Leute.«
Tanis sah lachend an sich hinunter. Er hatte dieselbe
Kleidung an, die Laurana gestern auf dem Großen Markt so gut
gefallen hatte: blaues Hemd, Fransenweste und Wollhose.
»Flint«, sagte Tanis, dessen nußbraune Augen tanzten,
»nimm dir einen Tag frei.«
»Freinehmen?« schnaufte Flint und setzte eine
Märtyrermiene auf. »Davon habe ich mein Leben lang noch
nicht gehört.«
Da lachte Tanis laut los.
Flint blickte ihn finster an. »Ihr jungen Leute habt aber auch
nicht den geringsten Respekt«, grollte er. Junge Leute… die
Worte klangen in ihm nach, bis es ihm plötzlich auffiel, wie es
seit seiner Rückkehr nach Solace schon mehrmals gegangen
war. Tanis war nicht mehr zu vergleichen mit dem Jungen, der
er gewesen war, als Flint damals in die Elfenstadt gekommen
war. Schon nach jenem ersten Winter hatte Flint über die
Veränderung gestaunt, um wieviel… doch, wieviel
menschlicher der Junge gewirkt hatte. Insbesondere im
Vergleich zu anderen Elfen, besonders den jüngeren, die sich
nur wenig verändert hatten.
Flint selbst sah kaum anders aus als an dem Tag, wo er zum
ersten Mal den Sonnenturm betreten hatte, abgesehen vielleicht
von den paar grauen Flecken – nun, vielleicht mehr als nur ein
paar –, im Bart und im dunklen Haar, das er immer noch mit
einer Schnur im Nacken zusammenband. Ein paar Falten in
seinem Gesicht waren etwas tiefer geworden, und den Gürtel
konnte er nicht mehr so eng schnallen wie früher – diese
Veränderung hätte Flint schichtweg abgestritten –, dennoch, er
war immer noch derselbe Zwerg mittleren Alters mit hellen
strahlenden Augen und seinem vertrauten Grummeln.
Bei Tanis war das anders. Der war in den letzten Jahren groß
geworden – nicht so groß wie die Stimme, aber immerhin so,
daß Flint ziemlich in die Höhe gucken mußte, um mit ihm zu
reden. Die Unterschiede zwischen dem Halbelfen und den
reifen Elfen um ihn herum traten jetzt
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