Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Schultern angezogen gegen den Regen, und beschwor einen Wärmezauber. Wieder donnerte es, und Linden begann zu warten.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und verzog angewidert das Gesicht. Noch immer schmeckte er die Kräuter im Mund. Je schneller er bei dem Tisrahn war, desto eher konnte er den widerwärtigen Geschmack mit einem Becher Wein hinunterspülen.
Er lächelte. Je schneller er da war, desto eher würde er Maurynna wiedersehen.
Er hoffte, daß die Fähre bald eintraf.
43. KAPITEL
Die heiße, feuchtschwüle, parfüm- und weihrauchgeschwängerte Luft schien förmlich an Maurynna zu kleben. Die würzigen Aromen von geröstetem Hammel und Schweinefleisch vermischten sich mit exotischeren Düften zu einem Kaleidoskop der Wohlgerüche, das Maurynna an ihre Reisen nach Assantik erinnerte. Um sie herum liefen lachende und singende Gäste durch die Dunkelheit. Immer wieder erhoben sich melodische Heulgesänge über den gleichförmigen Rhythmus der Trommeln. Plötzlich sehnte sie sich nach dem Gefühl der unter ihr hin und her schwankenden Seenebel, nach dem scharfen, nach Salz riechenden Wind in ihrem Gesicht.
Sie wischte sich den Schweiß aus den Augenbrauen. Maylin trat zu ihr. Sie sagte etwas, das Maurynna wegen des Lärms nicht verstand. Maurynna beugte sich hinunter und hörte ihre Cousine sagen: »Laß uns näher an die Tänzer herangehen! Ich kann kaum etwas sehen.«
Obwohl ihr nicht danach zumute war, tiefer in die Menge einzutauchen, hatte Maurynna nicht die Kraft, nein zu sagen. Noch immer konnte sie nicht fassen, daß Linden sie versetzt hatte. Gefolgt von Maylin, schob sie sich durch die dichtgedrängte Menge der Feiernden zum Mittelpunkt des Innenhofes, wo die Tänzer ekstatisch um ein Freudenfeuer herumsprangen.
Hätte ich doch nur Otter gebeten, bei Linden nachzufragen, als der sich verspätete. Aber ich hätte es mich wahrscheinlich nicht getraut.
Sie hoffte nur, daß Linden nicht bei Lady Sherrine war.
Das tiefe, gleichförmige Donnern der Trommeln fuhr ihr in die Knochen. Obwohl sie es nicht wollte, begannen ihre Füße, dem Rhythmus zu folgen.
»Sieh nur, wie sie tanzen! Sind sie nicht toll?« rief Maylin ihr zu.
Maurynna antwortete mit einem Grinsen und erinnerte sich, wie lustig der Abend gewesen war, als sie zum ersten Mal assantikkanische Tänzer gesehen hatte.
Sie ließ ihre Trübsal von der Musik vertreiben und sah den um das Freudenfeuer tanzenden Assantikkanern gebannt zu. Dann, wie aus dem Nichts, zerstörte die Erkenntnis, daß Linden immer noch nicht da war, ihre Stimmung wieder. Ihr Schwung war wie weggeblasen, und sie schaute sich suchend um.
Nein, kein hellblonder Kopf ragte aus der Menge heraus. Nervös zupfte sie an einer Haarsträhne. Wo steckte Linden bloß? Er hätte schon lange hier sein müssen; Tante Elenna hatte ihm sicher den Weg beschrieben. Er würde Almered doch nie in solch schroffer Form beleidigen.
Es ist nicht gerade weit von Tante Elennas Haus. Und auch nicht schwer zu finden. Ein plötzlicher Gedanke erschütterte sie. Hat er es vergessen? Bitte, laß ihn nicht bei Lady Sherrine sein.
Sie grub beide Hände in ihre Haare und zog an ihnen, bis es schmerzte. Am liebsten würde sie das Tisrahn verlassen und Linden suchen gehen. Was natürlich töricht wäre. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie nach ihm suchen sollte.
Etwas Kühles fiel ihr ins Gesicht. Sie schaute auf. Ein zweiter, dicker kühler Regentropfen fiel auf ihre Wange. »Oh«, sagte sie, und aus den vereinzelten Tropfen wurde ein gewaltiger Wolkenbruch.
Mit einem Mal wurde es hektisch im Hof. Leute eilten unter die Arkaden, die den Hof umsäumten, Diener rannten umher und zogen die mit Speisen und Getränken beladenen Tische ins Trockene. Die Musik erstarb mit einem atonalen Quietschen, als die Musiker sich den Flüchtenden anschlossen.
Augenblicke später stand Maurynna allein im Hof und starrte trotz des niederprasselnden Regens zum Himmel hinauf. Ein Gefühl von Dringlichkeit durchfuhr sie.
Vielleicht hat er zu Hause eine Nachricht hinterlassen.
Sie wirbelte herum, eilte zu der Menschentraube unter den Arkaden und rief nach ihrer Cousine.
»Hier! Hier drüben!«
Maurynna versuchte, Maylin zwischen den hochgewachsenen Assantikkanern zu entdecken und sah schließlich eine blasse Hand, die ihr zuwinkte. Sie drängte sich durch die Menge.
Maylin hatte sich einen Platz an einem der Tische ergattert und knabberte an einer Honigpastete mit getrockneten Früchten.
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