Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
aus einem der kleinen Zimmer, die für den Unterricht benutzt wurden. Er blinzelte sie eulenhaft an. Kir und Echtmensch wechselten einen Blick, dann starrten sie die Besucher mit offener Verblüffung an. Die einzigen beiden anderen Anwesenden hier waren zwei weitere Echtmenschen, jeder an einem anderen Tisch.
Einer dieser beiden war eindeutig einer der Gelehrten, die manchmal nach Schloß Drachenhort kamen; die weiche, viereckige Mütze eines Akademikers lag auf dem Tisch nahe seinem Ellbogen. Er runzelte angesichts der Unterbrechung kurz die Stirn und beugte sich dann wieder über seine Bücher und die vielen Notizen auf Pergament, die er sich gemacht hatte. Er murmelte leise vor sich hin und zog seine kleine Öllampe näher heran. Drachenlords interessierten ihn nicht Das machte er mit dieser Geste vollkommen deutlich.
Der andere Mann blickte ebenfalls auf, als sie hereinkamen. Er trug den Reifeines Barden. Linden hörte Otters verblüfftes, aber leises »Was macht der denn hier?«, als er langsam eine Hand zum Gruß hob. Zunächst tat der Fremde nichts weiter, als Otter kühl anzustarren. Dann nickte er und wandte sich wieder seinem Buch zu.
Jemand, den du kennst? fragte Linden. Und so, wie es aussieht, kein Freund. In diesem Blick hatte Gift gelegen. Bei sich selbst dachte Linden: Wer sollte Otter so feindlich gesinnt sein?
Otter erwiderte: Beide Male ja; er ist ein Bardenkollege, einer der Meister der Bardenakademie; normalerweise reist er nicht viel Ich habe dir von ihm erzählt Er hatte die Lippen grimmig zusammengepreßt.
Linden wußte plötzlich, wen er vor sich hatte. Leet? fragte er. Das würde einiges erklären.
Ja. Eine ganze Reihe von Emotionen begleiteten Otters unsichere Geiststimme. Ich frage mich, was …
Otters Worte wurden von Raven unterbrochen.
»Ihr Götter!« rief Raven und sah sich um. »Ich wußte nicht, daß es so viele Bücher auf der Welt gibt!«
Vom Tisch des Gelehrten kam ein mürrisches Schnauben. Leet las weiter, als hätte er nichts gehört.
Linden sah sich um und erinnerte sich an sein eigenes Staunen, als er zum ersten Mal die Bibliothek von Schloß Drachenhort gesehen hatte. Über sämtliche Wände des Raums zogen sich Regale, gefüllt mit Büchern, einige bunt eingebunden, die meisten aber in nüchternem Braun; einige waren Geschenke von Königinnen und Königen, andere von dankbaren Gelehrten, die in dieser Sammlung lange gesuchtes Wissen gefunden hatten, wieder andere hatten Drachenlords auf ihren Reisen erworben. Der freundliche, ein wenig schale Geruch von altem Leder hieß ihn willkommen; Linden hatte vergessen, was für eine Zuflucht diese Bibliothek gewesen war, als er zum ersten Mal im Drachenhort weilte, ein Mann frisch aus den Bergen von Yerrih, ungelenk und nervös und erschrocken über das, was aus ihm geworden war.
Jenna lachte leise. Sie erhob sich und sagte: »Es kann gut sein, daß es keine andere Sammlung wie diese gibt, junger Echtmensch. Königreiche kommen und gehen, aber die Bibliothek von Schloß Drachenhort hatte längeren Bestand – und selbstverständlich auch das Schloß selbst.«
Ein boshaftes Lächeln zuckte über ihre kurze Schnauze. »Es ist ein wenig spät am Abend, um nur noch ein wenig Lesestoff zu suchen, meine Freunde. Darf ich raten, was ihr sucht?« Sie legte eine Hand auf die Seite, die sie gelesen hatte.
»Oh«, meinte Lleld, »es waren also schon andere vor uns hier?«
Ein weiteres, diesmal lauteres Schnauben des Gelehrten.
Lukai blinzelte; die Lachfältchen um seine großen, wäßrigen Augen wurden tiefer. »Viele, Lleld. Wir waren in der Tat überrascht, dich noch nicht gesehen zu haben. Und auch du hast uns gefehlt, Jekkanadar. Wir haben in einer alten Geschichte von Assantikk ein paar Worte gefunden, bei denen wir deine Hilfe brauchten.«
»Wartet«, sagte Jenna. Sie klappte ihr Buch zu und tätschelte es. »Gehen wir in einen der Unterrichtsräume und lassen Meister Pren in Frieden.«
Da das Buch schwer aussah, nahm Linden es der zierlichen Kir-Archivarin ab und folgte ihr in einen kleinen Raum neben dem Hauptbibliothekszimmer. Sobald sie alle drinnen waren, schloß Jekkanadar die Tür hinter ihnen; sie setzten sich hin. Linden legte das Buch vor die beiden Archivare und setzte sich neben Maurynna.
Bevor jemand noch etwas sagen konnte, nickte Jenna Raven zu. »Ihr seid derjenige, der Taren Olmeins zur Drachenfestung gebracht hat, nicht wahr, junger Echtmensch?«
»Ja«, gab Raven zu.
»Als wir die Neuigkeiten
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