Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
hörten«, sagte Jenna, »erinnerten wir uns an dieses Buch und begannen es zu lesen.«
»Kennt ihr jedes Buch in der Sammlung?« fragte Lleld.
Kir und Echtmensch lächelten. »Ja«, sagten sie gemeinsam.
»Wißt ihr«, erklärte Jenna, »sie sind für uns wie alte Freunde.«
»Alte und vertraute Freunde«, sagte Lukai. »Wie können wir euch helfen?«
»Erzählt uns von Jehanglan«, meinte Lleld. »Wir wissen, daß der Phönixkaiser sein Königreich vom Rest der Welt abgeriegelt hat. Es geschah zu Zeiten von Jekkanadars Vater.«
»Das ist wahr«, sagte Jenna, und Lukai nickte. »Und von da an bis vor etwa hundert Jahren hat niemand, außer angeblich ein paar Schmugglern, auch nur Handel mit Jehanglan getrieben, und auch von diesen Schmugglern gab es wohl nicht viele. Dann kam ein Botschafter zum Kaiser der Dämmerung und erklärte, sein Bruderkaiser von Jehanglan erbitte sich einen Gefallen, denn es hatte einmal viele Verbindungen zwischen den beiden Reichen gegeben. Es war das erste Wort aus dem Phönixreich seit langer Zeit.«
»Seltsam«, meinte Linden. »Warum haben sie es sich plötzlich anders überlegt?«
In ihrem Blick lagen viele alte Geschichten, aber Jenna sagte einfach nur: »Seide.«
Drachenlords und Echtmenschen sahen einander an.
»Seide?« wiederholte Maurynna.
»Genau«, sagte Lukai. »Es steht alles hier in diesem Tagebuch der Gräfin Ardelis von Kelneth. Sie war eine große Reisende und suchte immer nach neuen Dingen. Sie besuchte den assantikkanischen Hof, vielleicht ein Jahr nachdem der Pakt abgeschlossen wurde. Hier, laßt mich das vorlesen.«
Er holte ein Tuch aus seinem Ärmel und betupfte sich die Augen. »Ich bitte um Verzeihung, aber der Staub auf diesen alten Büchern …«, murmelte er und blätterte vorsichtig um.
»Ah! Hier ist es. Gräfin Ardelis schreibt: ›Heute sah ich, wie ein ausgesprochen seltsames Schiff in den Hafen von Nendra Köre einlief. Es ist nicht wie die Koggen bei uns im Norden und auch nicht wie die Galeeren des Kaisers der Dämmerung. Ich weiß nicht genug über Schiffe, um mehr sagen zu können, als daß ich so etwas noch nie gesehen habe. Jeder Zoll davon ist bemalt und geschnitzt, als wäre der Anblick guten, schlichten Holzes eine Beleidigung für die Augen. Es war ein richtiger Regenbogen von Farben! Und über all dem war auf die Segel das Abbild eines großen, flammenden Vogels gemalt; am Mast hing allerdings die dreieckige Flagge eines assantikkanischen Handelshauses – des Hauses Mhakkan, wie mein Begleiter Merreb mir erklärte. Man sagte mir, dies sei eines der Schiffe aus dem legendären Jehanglan. Als ich anmerkte, ich habe gehört, das Land sei Fremden verschlossen, meinte Merreb, das sei früher einmal so gewesen. Aber offenbar wurden vor einiger Zeit die Seidenraupen von Jehanglan von einer Seuche befallen und alle ausgerottet, und das Phönixreich hatte keine Seide und keinen Seidenbrokat mehr. Das ist aber alles, worin sich ihre Adligen und Herrscher kleiden. Bevor Jehanglan sich von der Welt abgeriegelt hatte, hatte es rege Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern gegeben, sogar bis zu dem Punkt, Tempel der jeweiligen Götter im anderen Land zu errichten, damit die Kaufleute dort beten konnten, und so kamen auch Seidenraupen eines Tages von Jehanglan nach Assantikk. Sie gediehen dort nie so gut wie in ihrem Heimatland, aber genügend, daß die Assantikkaner nun Seide nach Jehanglan verkaufen konnten – im Gegenzug für bestimmte Handelsmonopole. Der Phönixkaiser stimmte zu, und der Kaiser der Dämmerung gewährte das Monopol für den Handel mit Jehanglan dem Haus Mhakkan, das in Assantikk den größten Teil der Seidenherstellung beherrscht. All dies erfuhr ich von Merreb vom Haus Azassa, der das Haus Mhakkan nicht beim Namen nennen kann, ohne auszuspucken.«
Lukai fuhr mit dem Finger über die Seite. »Und hier bemerkt Gräfin Ardelis – sehr vorsichtig –, daß sie später gehört hat, der Kaiser der Dämmerung verdanke dem Haus Mhakkan viel.«
»Was bedeutet, daß sie ihn gekauft hatten«, meinte Raven barsch. »Nach allem, was ich über dieses Haus jetzt weiß, blieb dem Kaiser vermutlich nichts anderes übrig, als Mhakkan das Monopol zu überlassen. Ansonsten hätten sie ihn gestürzt. Ich frage mich, was sie gegen ihn in der Hand hatten. Was immer es war, sie haben im Laufe der Jahre nicht viel von ihrer Macht verloren, ganz im Gegenteil. Sie sind stärker als je und immer noch gierig. Nun beherrschen sie die gesamte
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