Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
Llysanyaner sie sehen konnte, bis er begriffen hatte, daß sie seinem Reiter keinen Schaden zufügen wollte. Sie entspannte sich erst wieder, als der Hengst es ebenfalls tat.
»Sollen wir jetzt zum Mehanso zurückkehren?« fragte sie, ein wenig zittrig von der Erkenntnis, wie knapp sie dem Tod durch diese mörderischen Hufe entkommen war.
Zur Antwort bedeutete Raven Sturmwind abermals, sich auf die Hinterbeine zu stützen, aber nun drehte sich der große Hengst nur auf dem schmalen Pfad. Dann machten sich Mann und Pferd in raschem Schritt davon.
Sie hätte ihm gerne nachgerufen, daß es ihr leid tat, daß es nur zu ihrem Besten war, aber sie wußte, es gab keinen Trost dafür, wie sie ihn überlistet hatte. Statt dessen folgte sie ihm wortlos. Es würde nicht helfen, ihm sein Versagen noch deutlicher zu machen.
Dennoch dachte sie unwillkürlich: Du hast wohl geglaubt, du hättest von einer Frau in mittleren Jahren nichts zu fürchten, mein Junge. Unterschätze nie eine Mutter, oder genauer gesagt, unterschätze nie eine Frau.
Maurynna rutschte im Sattel ein wenig hin und her und versuchte, ihre angestrengten Muskeln zu entspannen. Boreal wieherte leise, als er ihre Bewegung spürte. Sie beugte sich vor und tätschelte die Schulter des Grauen. »Schon gut, Junge. Irgendwann werde ich mich daran gewöhnen.«
Und Schweine lernen tanzen. Nun, sie konnte immer noch hoffen.
Vor ihr folgte Shima einem Weg, der für Maurynna unsichtbar war, für ihn aber offenbar vollkommen deutlich. Um sich von ihrem körperlichen Unbehagen abzulenken, begann Maurynna sich zu fragen, was ihnen wohl zustoßen würde, sobald sie ihr Ziel erreichten: die Minen im Tal des alten Tempels.
Und wie sollten sie, sobald sie dort waren, wieder fliehen? Die Soldaten würden sie und Shima doch sicher verfolgen. Soweit sie sich erinnern konnte, war diese kleine Einzelheit nie besprochen worden – zumindest nicht in ihrer Hörweite. Selbst Zhantse hatte in keiner Vision erblickt, wie sie es tun sollten; er hatte ihnen nur versichert, es würde ihnen schon etwas einfallen.
Wie tröstlich, dachte sie und verzog das Gesicht. So tröstlich, als fände man sein Schiff auf einem Riff mit einem Leck von der Größe eines Bären und einem Höllensturm auf dem Weg.
Vielleicht sollte sie doch lieber darüber nachdenken, wie sehr ihr der Hintern weh tat.
Die Sonne war etwa seit einem Kerzenabschnitt untergegangen, als sie die zharmatianischen Späher erreichten, die der Truppe folgten.
»Sie sind hinter diesem Hügel«, sagte eine von ihnen, »und reiten die Straße entlang, als würde sie ihnen gehören. Wir haben uns zuvor sehen lassen; sie folgen uns seitdem, aber sie sind alle in Rüstung und viel zu langsam.« Die Frau lächelte, als handele es sich um ein Spiel.
»Sollen wir nachsehen?« fragte Dzeduin. »Ich schlage vor, wir lassen die Pferde hier unten; man würde sie auf dem Hügel zu gut sehen können.«
»Gute Idee«, erwiderte Linden.
Schon bald lagen sie in einer Reihe und schoben nur die Köpfe über einen Hügelkamm. Unter ihnen auf der anderen Seite zog sich eine leere Straße zwischen den Hügeln durch.
»Achtung«, flüsterte Lleld. »Sie kommen.«
Tatsächlich kamen nun die ersten Reiter in Sicht, und an ihrer Spitze ritt ein Mann in einem dunklen Jehangli-Gewand.
»Verflucht!« sagten die vier aus dem Norden gleichzeitig.
Dzeduin zuckte zusammen.
»Es ist nicht Taren«, erklärte Linden.
»Dennoch, sie arbeiten für den Adligen, für den auch dieser Mistkerl Taren gearbeitet hat«, erklärte Lleld. »Ich wünschte mir, wir könnten ihnen irgendwie die Nasen platt hauen.«
»Dzeduin«, sagte Otter bedächtig, »Taren hat mir einmal ein paar Jehangli-Legenden erzählt. Hast du schon von diesen Dingern gehört, die sie ›Leichenlichter‹ nennen?«
»0 ja. Ein sehr schlechtes Vorzeichen; wenn dich eines davon berührt, stirbst du, noch bevor ein Jahr vergeht«, sagte Dzeduin.
Linden hörte nur mit halbem Ohr zu und fragte sich vage, was Otter vorhatte. Die Soldaten auf der Straße drunten würden bald die Stelle erreichen, wo die zharmatianischen Späher abgebogen waren. Es gab keine Möglichkeit, daß ihre Verfolger die Spur verfehlen würden, nicht mit so vielen Fackeln, die die Nacht zurückdrängten. Die Männer dort unten kannten sich aus.
Otter fragte weiter: »Welche Farben haben sie? Wie groß sind sie? Was tun sie genau?«
»In den Geschichten heißt es, sie wären blau wie die Lippen einer Leiche. Was die
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