Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
Tsiaa, meine Zofe.«
Sie spürte, wie er sich im Dunkeln regte. »Tsiaa? War das nicht die, die – o Shei, es tut mir so leid! Das wußte ich nicht.«
Und mit diesen Worten streckte er einen Arm aus und zog sie an sich, so daß ihr Kopf an Xianes Schulter ruhte. Er strich ihr über das Haar, während sie weinte, um Tsiaa oder um Yesuin oder um ihrer selbst willen, das wußte sie nicht.
Als die Tränen versiegt waren, wich sie nicht zurück. Was war mit Xiane geschehen? fragte sie sich, als er ihr weiter übers Haar strich. Die Antwort folgte einen Augenblick später. Er wird endlich erwachsen.
Spät am nächsten Morgen, als Murohshei ihm das Haar kämmte und es anständig aufsteckte, lauschte Xiane dem leisen Schwatzen von Shei-Luins Zofen im Nebenzimmer. Eine bestand darauf, daß es im Palast Gespenster gab. »Zwei von Fürstin Mienyas Zofen haben in der vergangenen Nacht jemand durch den Palast laufen gehört, ebenso wie Graf Siachuns Lakaien. Und auch viele andere haben sie gehört, selbst ein paar adlige Herren und Damen. Aber jedesmal, wenn jemand in den Flur schaute, war niemand da!«
Aufgeregtes Gemurmel brach unter den anderen aus. »Gespenster!« sagten sie. »Was anderes kann das sein als Gespenster?«
Ich habe mein ganzes Leben in diesem Palast verbracht und nie von einem »Gespenst« gehört, dachte Xiane. Was es wohl gewesen sein mag?
»Fertig, Erlauchter Phönixherrscher«, sagte der Eunuch leise.
Xiane drehte sich um, um zum Bett hinzuschauen -Shei-Luin schlief immer noch. Er dachte daran, sich noch einmal zu ihr zu legen, aber er sollte wohl am besten den alten Guanli von seinem Elend erlösen. Also stand er auf, reckte sich und sagte: »Vielen Dank, Murohshei.«
Der Eunuch verbeugte sich. »Kann ich Euch noch anderweitig dienlich sein, Euer Majestät? Möchtet ihr Euer Frühstück hier einnehmen?«
Xiane schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde dazu in meine eigenen Gemächer gehen. Gib mir nur mein Gewand.«
Als er angezogen war, verließ Xiane das Schlafzimmer hinter Murohshei. Sofort verstummte der Klatsch, als alle Zofen auf die Knie fielen und mit ihren Stirnen den Boden berührten. Er ging an ihnen vorbei. Murohshei öffnete die Tür unter Verbeugungen. Wie Xiane erwartet hatte, lauerte bereits ein aufgeregter General Guanli im Flur, umgeben von Offizieren und Soldaten. Xiane warf kurz einem bestimmten Hauptmann einen Blick zu und wurde mit einem nur angedeuteten Nicken belohnt. Ein unsichtbares Gewicht verschwand von seinen Schultern. Vergnügt sagte er: »General! Was macht Ihr hier so früh am Morgen?«
Xiane wußte, daß es beinahe Mittag war.
Guanli, der zweifellos, seit er die Nachricht von Yemals Vertragsbruch erhalten hatte, keinen Schlaf mehr bekommen hatte, hätte sich über das »früh« beinahe verschluckt. Aber er erholte sich wieder und sagte: »Majestät, ich habe ernste Neuigkeiten. Dieser zharmatianische Hund, Yemal, hat …«
»Ich bin Halb-Zharmatianer, General«, erinnerte Xiane ihn leise.
Der General nahm die Farbe gebleichter Seide an. Er stotterte Entschuldigungen, und seine Knie begannen zu zittern. Xiane befürchtete, der Mann würde ohnmächtig werden.
»Weiter«, sagte er müde, eher, weil er es hinter sich bringen wollte, als aus dem Bedürfnis, gnädig zu sein. »Was hat Yemal getan?«
»Den Vertrag gebrochen, Herr«, brachte Guanli hervor. »Und das bedeutet …«
Hier hielt der General inne, um tief Luft zu holen. Es war wohlbekannt, dachte Xiane, daß Yesuin häufig in seiner Gesellschaft war. Aber es gab niemand, dem Guanli befehlen konnte, ihm diese Nachricht zu bringen.
»Das heißt, daß das Leben der Geisel nichts mehr wert ist«, schloß Guanli.
Das Leben der Geisel Nicht Yesuins Leben. Auch kein Hauch von Bedauern. Und Guanli hatte sich von Yesuin beim Kauf von Pferden beraten lassen.
Wie schnell jemand von einer Person zum Ding wurde.
»So ist es«, stimmte Xiane zu. »Habt Ihr ihn schon verhaftet?«
»Nein, Erlauchter Phönixherrscher. Dafür brauchen wir Eure Erlaubnis.«
»Wir erteilen sie.« Xiane begegnete Guanlis Überraschung mit einem ausdruckslosen Blick und wartete, was der General nun sagen würde.
Aber Guanli war nicht der Mann, der es ein zweites Mal riskiert, an den Schnurrhaaren des Tigers zu zupfen – nicht wenn er beim ersten Mal so knapp davongekommen war. »Ich danke Euch, Erlauchter Phönixherrscher.« Er sammelte seine Offiziere und Soldaten mit einem Blick, bellte »Vorwärts marsch!« und führte sie mit
Weitere Kostenlose Bücher