Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
Seht genauer nach!« Er schlug mit seiner Pferdeschweifpeitsche auf die Männer ein, als wären sie widerspenstige Ponys.
Xiane, eine Insel der Ruhe in einem Wirbelwind von Zerstörung, blieb stehen, wo er war. Schubladen wurden herausgerissen und geleert, weitere Kleidertruhen umgekippt, ihr Inhalt ein Regenbogen von Seide auf dem Boden, das Bett auseinandergerissen und Schwerter durch die Matratze gestoßen.
Yesuin, dachte er, ich weiß nicht, wie du das gemacht hast, aber es war gut!
Erst als den Soldaten nichts anderes mehr übrigblieb, als hinter die Gemälderollen an den Wänden zu sehen, fiel es ihm ein. So unschuldig, wie er konnte, sagte Xiane: »Die Tür war von innen verriegelt, also kann er auf diesem Weg nicht entkommen sein. Er ist auch nicht durchs Fenster geflohen.«
Bei seinem ersten Wort hatte alle Aktivität aufgehört, und alle Blicke richteten sich auf ihn. Nun warteten Guanli und seine Männer auf die nächste Perle kaiserlicher Weisheit.
»Vielleicht«, meinte Xiane bedächtig und rieb sich das Kinn, »haben die Gespenster ihn geholt.«
Mehr als ein Gesicht wurde bleich. »Gespenster, Erlauchter Phönixherrscher?« fragte Guanli.
»0 ja«, versicherte ihm Xiane und ging zur Tür. »Gespenster. Viele haben heute nacht Gespenster durch den Palast laufen hören – wußtet Ihr das nicht?« Er warf einen Blick über die Schulter zurück.
»Nein, Herr«, sagte Guanli und schüttelte den Kopf. Wenn er entsetzt ausgesehen hatte, als er Xiane unwissentlich beleidigte, war es jetzt nur noch schlimmer. Jedermann wußte, daß hungrige Gespenster viel schlimmer sein konnten als zornige Kaiser.
»Nun wißt Ihr es«, sagte Xiane und ging. Auf dem Weg zurück in seine eigenen Gemächer dachte er: Wenn sie das nicht von deiner Spur ablenkt, Vetter, dann weiß ich es auch nicht. Ich habe alles getan, was ich konnte. Jetzt liegt es an dir. Viel Glück, mein Freund.
Freiheit und Sicherheit lagen weit im Norden, in Nisayeh, im Roten Land der Tah’nehsieh. Er mußte es nur noch erreichen.
Aber nun, da seine Stammesbrüder den Vertrag gebrochen hatten und das Land zwischen hier und Nisayeh durchstreiften, war die Flucht aus dem kaiserlichen Palast vermutlich der leichteste Teil gewesen. Verflucht sollte Yemal sein! Sollten ihn doch die Dämonen verschlingen!
Als sein kräftiges Pferd über die Straße trabte, machten andere Reisende ihm Platz, weil er die Uniform eines kaiserlichen Boten trug. Yesuin schmiedete Pläne.
Sie waren schlicht: Er mußte anderen Boten aus dem Weg gehen. Er mußte allen Armee-Einheiten aus dem Weg gehen; es war möglich, daß die Offiziere ihn schon in der Hauptstadt gesehen hatten oder glaubten, er sei ein zharmatianischer Spion, der einen Boten getötet und die blaugoldene Uniform gestohlen hatte. Er mußte nach Rhampul gelangen, dem letzten militärischen Außenposten vor dem Kajhenral. Er würde Gefahr laufen, erkannt zu werden, aber das war der letzte Ort, ein gutes Pferd zu bekommen; die Armee hatte nach den Adligen und dem kaiserlichen Haushalt immerhin die besten Tiere.
Dann würde ihn ein letzter, wilder Ritt in die Berge zwischen Jehanglan und Nisayeh führen – und während der ganzen Zeit mußte er beten, daß sein falscher Bruder sich mit dem Kriegshaufen woanders aufhielt.
Immer eines nach dem anderen; als erstes nach Rhampul. Fluch über Yemal, daß er dies begonnen hat! Eines Tages werde ich ihn töten, wie er versucht hat, mich zu töten.
Eines Tages, aber erst mußte er Rhampul erreichen.
9. KAPITEL
»Ich verstehe das nicht«, murmelte Linden, als die Truppe vor einem neuen, schwierigen Reisetag das Lager abbrach. »Wir kommen durch Dorf um Dorf, aber selbst wenn wir eine Nacht dort verbringen, statt ein Lager aufzuschlagen, erlaubt man uns nie, eine Vorstellung zu geben. Erwarten diese Adligen denn nicht, daß die Gaukler auf dem Weg zu ihren Ländereien irgendwie ihren Unterhalt verdienen?«
Lleld zuckte die Achseln. »Vielleicht fürchten sie, daß es den Wert der Vorstellung irgendwie verringert.«
Maurynna schüttelte den Kopf. »Daß man uns nicht erlaubt aufzutreten, finde ich nicht so seltsam. Aber etwas anderes: daß diese Kaufleute eine Straße gewählt haben, die nur durch unbesiedeltes Land oder diese kleinen Dörfer führt. Und wenn wir in einem Dorf haltmachen, lassen sie sich nicht ein paar Tage nieder, um Handel zu treiben. Wir machen uns am nächsten Morgen wieder auf den Weg, mit kaum genug Zeit, daß sie irgend etwas
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