Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
sanft. Er wiederholte es ein wenig fester, als sie sich nicht regte. »Boreal hat recht, Bohnenstange«, sagte Raven. »Setz dich hin, bevor du fällst. Ich kümmere mich um ihn.«
Maurynna setzte zum Widerspruch an. Aber sie konnte kaum auf ihren zitternden Beinen stehen, und die Vernunft sagte ihr, daß sie tatsächlich hinfallen würde, wenn sie jetzt noch versuchte, den Llysanyaner abzusatteln. Sie hinkte davon und setzte sich an den Teich, nachdem sie noch einmal stehengeblieben war, um ihren Stolz zu retten, indem sie nach dem Bündel Feuerholz griff. Zumindest konnte sie das Feuer entzünden, während die beiden Männer sich um den Rest kümmerten.
Ihre Hände zitterten so sehr, daß sie kaum mit Feuerstein und Stahl umgehen konnte; sie wünschte sich, sie könnte das Feuer mit einem Wort entzünden, wie Linden es ihr gezeigt hatte, aber sie wagte es nicht, Drachenlordmagie einzusetzen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis endlich Funken entstanden und die Flammen vergnügt aufflackerten.
Sie saß am Feuer, die Stirn auf die Knie gestützt, wund an Körper und Seele. Von beiden Schmerzen war der letzte schlimmer. Tränen brannten hinter ihren geschlossenen Lidern. Die Frage, die sie jeden wachen Augenblick lang folterte, kehrte zurück. Was war mit Linden und den anderen geschehen? Waren sie Tarens Soldaten entkommen? Sie war sicher, daß sie es – irgendwie – wissen würde, wenn etwas wirklich Schreckliches geschehen war. Aber das machte ihre restliche Unwissenheit nicht viel leichter.
Ihr Gölter, Linden, ich wußte nicht, daß mir jemand so fehlen könnte, wie du mir fehlst Sie drückte die Stirn gegen die Knie, bis es weh tat, und zwang sich, nicht zu weinen.
»Hungrig?«
Maurynna blickte auf. Shima setzte sich neben sie – die Pfeile in seinem Köcher klapperten – und hielt ihr ein in Blätter gepacktes Bündel hin.
Sie griff danach und drehte es in ihren Händen, um es näher zu betrachten. Es war lang und schmal und schwer für seine Größe. Die faserigen Blätter ringsherum waren rauh und an den Enden mit Fasern desselben Materials zusammengebunden. Sie öffnete das Bündel und fand darin einen kleinen klebrigen Laib aus etwas, das wie gekochtes Getreide aussah. Im Feuerlicht hatte es ein mattes Graubraun und sah nicht sehr appetitanregend aus. Sie sah Shima fragend an.
»Pyamah-Kuchen«, erklärte er. »Ein Grundnahrungsmittel meines Volkes. Man kann sich sehr lange von Pyamah ernähren. Das Getreide wird mit Wasser und manchmal ein wenig mit Honig gemischt, dann wartet man, bis es sich ein wenig fermentiert hat, wickelt es in Blätter einer Pflanze, die wir Gewürzgras nennen, und kocht oder bäckt es in der Asche eines Feuers. Das Gewürzgras schützt die Kuchen und würzt sie auch.« Er brach ein Stück ab und aß.
Vorsichtig tat Maurynna es ihm nach. Das Zeug war fest und trocken und schmeckte ähnlich wie Haselnüsse. Außerdem schmeckte sie noch einen Hauch von … Zimt? … und etwas anderem, was sie nicht kannte, aber was immer es war, es war gut. Sie hatte geglaubt, zum Essen zu müde zu sein, aber die Pyamah schmeckten gut; plötzlich merkte sie erst, wie hungrig sie war. Außerdem, ganz gleich wie es schmeckte, es war eine willkommene Abwechslung zu der Hirse, von der sie und Raven gelebt hatten. Sie aß gierig.
Raven gesellte sich zu ihnen, und Shima reichte ihm ebenfalls einen der Kuchen. Raven betrachtete das Zeug zweifelnd, dann zuckte er die Achseln, packte es aus und biß hinein. Während sie aßen, betrachtete Maurynna Shima im Feuerlicht. Er war kleiner als sie oder Raven, allerdings größer als die meisten Jehangli, die sie gesehen hatte. Im Feuerlicht war zu sehen, daß sein schwarzes Haar einen rötlichen Schimmer hatte. Alle anderen Jehangli hatten eher bläulich-schwarzes Haar gehabt.
Zweifellos sein Yerrinblut, dachte Maurynna. Daher stammt wahrscheinlich auch die gebogene Nase – wie der Schnabel eines Seeadlers; ich wette, daß seine Mutter aus dem Norden von Yerrin stammte. Aber der dunkle Honigton seiner Haut und die dunklen Rehaugen konnte er nur von seinem Tah’nehsieh-Vater geerbt haben.
Sie aß ihren Kuchen fertig und lauschte, während Raven und Shima sich unterhielten, denn sie war zu müde, selbst etwas zu sagen. Wie ein Schiff, das nicht mehr dem Ruder gehorchte, trieben ihre Gedanken immer wieder zu Linden hin, ganz gleich, wie intensiv sie versuchte, nicht an ihn zu denken. Wieder legte sie den Kopf auf die angezogenen Knie. Sie wollte
Weitere Kostenlose Bücher