Drachenmagier
unterdrückter Wut, warf
seinem Vater einen
fragenden Blick zu. Der Hund, der sich zu Füßen des
Sartan zusammengerollt
hatte, um die langweiligen Passagen zu verdösen, setzte sich
ruckartig auf und
schaute herum, als hätte er eine Bedrohung gewittert.
Samah machte eine kaum
sichtbare, abwehrende Handbewegung, und Ramu lehnte sich
zögernd wieder zurück.
Die übrigen Ratsmitglieder blickten zwischen Samah und Alfred
hin und her,
nicht wenige schüttelten den Kopf.
Samah fixierte Alfred,
ohne etwas zu sagen.
Die Spannung im Raum
wuchs.
Alfred blinzelte, als
würde ihm jählings bewußt, wessen
er sich erdreistet hatte. Er sank in sich
zusammen, und die neugefundene Kraft verließ ihn.
»Es tut mir leid,
Samah. Ich wollte nicht…« Er wich Schritt um
Schritt zurück, bis er gegen den
Körper des Hundes stieß.
Der Archont stand auf,
kam hinter dem Tisch hervor und näherte sich Alfred. Der Hund
zeigte die Zähne,
legte die Ohren flach an den Kopf und knurrte, während der
Schwanz langsam von
einer Seite zur anderen strich.
»Ruhig!« mahnte Alfred
unglücklich.
Der Archont streckte
die Hand aus, Alfred duckte sich in der Erwartung eines Schlages, doch
zu
seiner unbeschreiblichen Überraschung legte ihm Samah
den Arm um die
Schultern.
»Lieber Freund«, sagte
er mit Wärme, »fühlst du dich jetzt nicht
viel besser? Endlich hast du uns dein
Herz geöffnet. Endlich schenkst du uns Vertrauen. Denk nur,
wieviel Kummer du
dir hättest ersparen können, wenn du gleich mit
diesen Zweifeln und Fragen zu
mir, zu Ramu, Orla oder einem der anderen Ratsmitglieder
gekommen wärst! Jetzt
haben wir endlich die Möglichkeit, dir zu helfen.«
»Ihr könnt mir
helfen?« Alfred starrte ihn an.
»Aber ja, Bruder.
Immerhin bist du ein Sartan. Einer von uns.«
»Es – es tut mir leid,
daß ich in die Bibliothek eingedrungen
bin.« Alfred war so überwältigt,
daß er
stotterte. »Es war falsch. Ich weiß es.
Ich kam her, um mich zu entschuldigen.
Ich weiß – ich weiß gar nicht, was
über mich gekommen ist, daß ich solche Dinge
gesagt habe…«
»Das Gift hat lange in
dir gefressen. Jetzt ist die Wunde gereinigt und wird
heilen.«
»Ich hoffe es«, meinte
Alfred, obwohl sein Gesicht Zweifel ausdrückte. »Ich
hoffe es.« Er seufzte und
blickte auf seine Schuhspitzen. »Was geschieht jetzt mit
mir?«
»Was mit dir
geschieht?« Samah hob verwundert die Augenbrauen.
»Oh, du meinst eine
Bestrafung. Mein lieber Alfred, du hast dich selbst weit
härter bestraft, als
ein solch geringfügiges Vergehen rechtfertigt. Der Rat nimmt
deine
Entschuldigung an. Und wann immer du die Bibliothek aufsuchen
möchtest, brauchst
du nur mich oder Ramu um den Schlüssel zu bitten. Ich
glaube, du wirst es sehr
lohnend finden, die Geschichte unseres Volkes zu
studieren.«
Alfred bewegte nur
stumm die Lippen. Es hatte ihm die Sprache verschlagen.
»Es stehen für heute
noch einige kleinere Punkte auf der Tagesordnung«, meinte
Samah geschäftig und
nahm den Arm von Alfreds Schultern. »Wenn du dich setzen
möchtest, können wir
mit der Arbeit fortfahren und uns dann erfreulicheren Dingen
zuwenden.«
Auf einen Wink seines
Vaters brachte Ramu stillschweigend einen Stuhl für
Alfred. Er ließ sich
darauf niederfallen, legte die Hände auf die Knie, starrte vor
sich hin und
schüttelte immer wieder den Kopf.
Samah kehrte zu seinem
Platz zurück und begann irgendeine belanglose
Angelegenheit zu diskutieren,
die man ohne weiteres hätte vertagen können. Die
Ratsmitglieder links und
rechts, denen anzusehen war, daß sie sich unbehaglich
fühlten und am liebsten
gegangen wären, hörten nicht zu.
Samah fuhr fort zu
reden, geduldig, leichthin. Orla beobachtete ihn, sein unfehlbares
Fingerspitzengefühl im Umgang mit anderen, die wache
Intelligenz auf den
ebenmäßigen, wie gemeißelten
Zügen. Es war ihm gelungen, den arglosen Alfred
zu entwaffnen und für sich einzunehmen. Jetzt konzentrierte er
sich darauf, die
Loyalität und das Vertrauen seiner Anhänger
zurückzugewinnen. Die Atmosphäre
entspannte sich bereits unter dem Einfluß von Samahs
suggestiver Stimme; er
machte einen kleinen Scherz, und es wurde gelacht.
Sie gehen nach der
Sitzung fort, dachte Orla, und was ihnen im Gedächtnis bleibt,
wird Samahs
Stimme sein. Alfreds werden sie vergessen haben. Merkwürdig,
es ist mir nie
zuvor aufgefallen, wie Samah uns manipuliert.
Uns. Doch
Weitere Kostenlose Bücher