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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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es nicht.«
    »Habt ihr Geld?«
    »Ja.«
    »Aber wie lange reicht das?«
    »Eine Woche vielleicht oder auch länger.«
    »Und dann?«
    »Müssen wir uns wohl Arbeit suchen.«
    »Es gibt ein Gesetz, das Kinderarbeit verbietet«, sagte Janne.
    »Wo ist die Altersgrenze?«, fragte ich. »Fünfzehn, glaube ich.«
    »Dann müssen wir eben so tun, als seien wir fünfzehn.«
    »Wer soll euch das glauben?«
    »Tja, zum Beispiel ein blinder Schuster.«
    »Könnt ihr etwa Schuhe reparieren?«, fragte Erik.
    »Nein, aber das merkt ja keiner.«
    »Die Kunden werden es schon merken«, sagte Janne.
    »Dann sind wir schon wieder woanders«, sagte ich.
    »Klingt nicht wie ein guter Plan«, sagte Erik.
    »Wir haben keine Pläne«, sagte Kerstin.
    »Klingt nicht gut«, sagte Erik.
    »Wenn man abhaut, macht man die Pläne erst hinterher«, sagte ich. »Und wenn man flieht - plötzlich muss man abhauen. Wie wir - dann ergeben sich die Pläne von selbst.«
    Für uns hatte sich ja auch Stück für Stück von selbst ergeben. Bald würden wir das zweite Mal übernachten. Morgen wäre der dritte Tag. Und so weiter. Wenn man immer nur Tag für Tag, Nacht für Nacht nimmt, ist es gar nicht so schwer. Oder immer nur Stunde für Stunde. Das hatte ich als Samurai trainiert. Sich den Schwierigkeiten zu stellen und sie zu besiegen. Schwierigkeiten in Erfolge zu verwandeln. Schwierigkeiten selbstverständlich hinzunehmen, sie gehörten zum Leben, ohne sie gäbe es gar kein Leben. Dann war alles still, wie in einem Grab. In einem Grab rollten keine Steine. Die Erde um uns herum war voller Steine, aber keiner rührte sich und würde es auch nie tun. In einem Grab konnte sich nichts rühren.
    »Was sagst du, Kerstin?« Das war Janne. »Was willst du machen?«
    »Ich möchte nach Hause.« Sie sah Janne an, dann Erik. »Aber ich weiß nicht, ob es noch ein Zuhause gibt«, fügte sie hinzu. »Wenn ich geblieben wäre, hätte ich vielleicht trotzdem weggemusst, nur hätte das jemand anders entschieden.«
    Jetzt sah sie mich an. »Du hast nicht über mich bestimmt, Kenny. Wenn ich nicht gewollt hätte, wäre ich nicht mitgekommen.«
    »Ich hab mir auch noch nie eingebildet, ich könnte über dich bestimmen«, sagte ich.
    »Es ist wohl eher umgekehrt«, sagte Janne.
    »Aber wenn ich noch ein Zuhause hätte, würde ich jetzt dorthin zurückkehren wollen«, fuhr Kerstin fort.
    »Klingt einleuchtend«, sagte Erik.
    »Für dich ja«, sagte ich.
    »So hab ich es nicht gemeint.«
    »Aber wie willst du herausbekommen, was bei dir zu Hause los ist, Kerstin?«, fragte Janne. »Ob deine Mutter überhaupt noch da ist.«
    »Habt ihr Telefon?«, fragte Erik.
    »Ja …«
    »Ruf doch an. Ruf gleich an.«
    Erik knipste Licht über dem Herd an. Die Küche wurde gelb und schwarz, wie die Farben des Fußballvereins zu Hause in unserer Stadt. Jetzt dachte ich es wieder: zu Hause. Ich dachte an den Park, den Hof, das Zentrum und die Schule. Sogar an Frau Sandberg dachte ich. Und an den Direktor. Vielleicht sollte ich ihn anrufen. Vielleicht fühlte er sich schuldig, dass ich abgehauen war. Vielleicht hatte er einen Plan. Aber vielleicht war ihm auch alles egal.
    Kerstin kam zurück.
    »Es nimmt keiner ab.« Sie setzte sich wieder an den Tisch. »Du kannst es später noch mal versuchen«, sagte Erik. »Dann ist es ja Nacht.«
    »Oder morgen?«
    »Mal sehen.«
    »Morgen fahren wir vielleicht«, sagte ich. »Rollt davon«, sagte Janne.
    »Könnt ihr noch jemanden besuchen?«, fragte Erik. »Viele«, sagte ich. »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel meine Großmutter oder Kerstins Großmutter und ihren kleinen Bruder.«
    »Das sind drei.«
    »Reicht das nicht? Und wenn nicht, gibt es ja noch Klops.«
    »Klops?«, fragte Erik. »Der aus dem Camp?«
    »Klar.«
    »Der dir immer nachgelaufen ist, Kenny? Der aussah wie eine Wurst?«
    »Das ist Klops.«
    »Wo wohnt er?«
    »Nicht weit entfernt.«
    »Und Ann«, sagte Kerstin, »meine Freundin aus dem Camp. Sie wohnt in derselben Stadt wie Klops.«
    »Er sah wirklich aus wie eine Wurst«, sagte Erik und lächelte.
    »Inzwischen sieht er vielleicht anders aus«, sagte ich. »Es sind ja einige Monate vergangen.«
    »Vielleicht wie ein Kotelett«, sagte Erik.
    »Oder wie eine Mohrrübe«, sagte Janne.
    »Vielleicht sieht er aus wie du«, sagte ich.
    »Wie sehe ich denn aus? Was meinst du damit?«
    »Wie eine Lauchstange«, sagte ich. Ich sah ihm an, dass er begriff, dass ich einen Witz machte. Eigentlich sah er aus wie eine Gurke.
     
    13
     
    Ich

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