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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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benutzte, um den Kronkorken einer Limoflasche zu entfernen. Die Kohlensäure zischte aus dem Flaschenhals.
    Plötzlich fühlte ich mich frei. Als wäre ich wirklich frei. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien immer noch. Ich aß all diese Sachen, weil wir uns dafür entschieden hatten. Wir ganz allein. Wir waren in die Richtung gefahren, in die wir wollten. Wir konnten selbst entscheiden, ob wir nach rechts oder links gingen oder weiter geradeaus. Ich hatte plötzlich das Gefühl, ich könnte mein Leben lang auf Reisen sein.
     
    14
     
    Kerstin drückte einen Strang Krabbenpaste auf ein halbes Brötchen und biss davon ab.
    Ich hörte Vögel singen und sah sie zwischen den Bäumen hemmfliegen. Sie waren frei. Wir waren wie die Vögel. Wie weit konnten wir fliegen? Wenn man nur lange genug flog, kehrte man an die Stelle zurück, von der man aufgebrochen war. Ich war nicht blöd, mir war klar, dass wir schließlich doch wieder dahin zurückkehren würden.
    »Wenn du willst, können wir noch heute zurückfahren, Kerstin.«
    Sie hörte auf zu kauen und legte das Brötchen auf das Papier auf ihrem Schoß. »Das willst du nicht, Kenny.«
    »Ich hab gefragt, was du willst.«
    Sie starrte auf ihr Brötchen, als erwarte sie eine Antwort von ihm. Aber es war nur ein Brötchen. »Das wäre feige«, sagte sie. »Feige? Gegen wen?«
    »Gegen uns selber.«
    »Du willst doch wissen, wie es deiner Mutter geht.«
    »Das kann warten.«
    »Gestern Abend warst du anderer Meinung.«
    »Ich hab heute Nacht darüber nachgedacht«, sagte sie. »Ich konnte nicht schlafen, und mir ist klar geworden, dass sie sich schon lange nicht mehr um mich gekümmert hat. Dann brauche ich mich eine Weile auch nicht um sie zu kümmern.«
    »Du bist ihr nicht egal«, sagte ich. »Aber sie hat vergessen, wie das ist, wenn man sich um jemanden kümmert.«
    »Wenn ich eine Weile wegbleibe, fällt es ihr vielleicht wieder ein«, sagte Kerstin.
    »Wenn du eine Weile weg bist, wird dir klar, dass sie es weiß«, sagte ich.
    Ich schaute auf das Brötchen, von dem Kerstin nur einmal abgebissen hatte. Der Strang Krabbenpaste darauf sah aus wie ein Lächeln.
    »Wenn wir eine Weile wegbleiben, dann weißt du, dass ich weiß, dass sie es vielleicht weiß«, sagte Kerstin, »und vielleicht weiß sie, dass ich es auch weiß.«
    »Ich weiß noch was«, sagte ich. »Ich weiß, dass ich nicht dick bin.«
    Kerstin hatte wieder ihre Brötchenhälfte in der Hand. Sie musterte sie, als könnte sie dadurch dick werden.
    »Und du auch nicht«, sagte ich schnell. Das hätte ich eigentlich nicht zu sagen brauchen. Kerstin war sogar schlanker als ich.
    »Ich musste plötzlich an Klops denken«, sagte ich. »Das glaub ich dir nicht.«
    »Die Schule ist wohl bald aus. Wir kennen seine Adresse ja nicht«, sagte ich. »Aber Anns Adresse haben wir. Wie wollen wir es machen? Wollen wir einfach bei ihr klingeln?«
    »Wir könnten vorher anrufen.« Kerstin deutete mit dem Kopf auf eine Telefonzelle am anderen Ende des Parks. »Ihre Nummer steht bestimmt im Telefonbuch.«
    Aber in der Telefonzelle gab es kein Telefonbuch. Jemand hatte es von der Kette gerissen.
    »Wir könnten die Bibliothek suchen und uns den Stadtplan angucken«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Kerstin, »heute lieber keine Bibliothek.«
    »Vielleicht gibt’s ja auch einen Stadtplan auf dem Marktplatz«, sagte ich, »wie bei uns zu Hause.«
    In unserer Stadt hing am Marktplatz ein Plan hinter Glas. Aber diese Stadt war viel größer, da reichte vermutlich ein Plan gar nicht.
    »Wir gehen zum Jahrmarkt«, sagte Kerstin.
    »Der hat noch nicht geöffnet.«
    »Ich will zusehen, wie sie aufbauen.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Weil ich es will.«
    »Vielleicht kriegen wir einen Job«, sagte ich. »Was für einen?«
    »Weiß nicht. Fechten vielleicht. Da gibt’s doch ein Variete.«
    »Meinst du, die Leute würden dafür bezahlen, um uns fechten zu sehen, Kenny?«
    »Warum nicht? Die bezahlen doch für alles Mögliche.«
    »Aber nicht, um uns fechten zu sehen. Und ich hab mein Katana nicht dabei.«
    »Wir können ein neues Bokken schnitzen.«
    »Ich will nicht, Kenny.«
    »War ja nur so eine Idee.«
    »Vielleicht können wir Lose verkaufen«, sagte Kerstin. »Ich glaub nicht, dass die uns einen Job geben. Damit holen sie sich die Polizei an den Hals.«
    »Dann können wir also gar nicht hingehen.« Kerstin sah enttäuscht aus. »Doch, klar. Wir halten uns am Rand.«
     
    Wir hielten uns am Rand. Jetzt bauten sie die Bahn

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