Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
ertappen, was du jetzt vorhast.“
Ich fasste sie mit dem linken Arm um die Hüften und drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen. Diesmal rammte sie mir ihr Knie nicht dorthin, wo es besonders schmerzt, aber sie erwiderte den Kuss auch nicht. Nun, was nicht war, konnte ja noch werden.
Vielleicht.
Vorerst würde mir ohnehin keine Zeit für Liebeswerben bleiben. Als ich dort auf dem Felsabsatz vor der Höhle stand, wurde mir erst wirklich klar, wie aberwitzig meine Pläne waren. Ohne Hilfe würde ich hier nicht wegkommen, geschweige denn die Berge von Escaridyr bezwingen. Wie sollte ich einhändig Steilwände erklimmen?
Ich stellte meinen Proviant ab und ließ mich in die Hocke sinken.
Der Ausblick von hier oben war atemberaubend. Warum sollte ich ihn nicht genießen, wenn es nichts sonst gab, das ich tun konnte? Unter mir ringelte sich in einiger Entfernung das Silberband des Flusses durch das samtige Grün fruchtbarer Felder. Hübsche Wölkchen zogen an mir vorbei, so weiß wie Schäfchen und ebenso einschläfernd. Ich ertappte mich dabei, einzunicken. Das mochte natürlich auch an den vielen schmerzlindernden Tränken liegen. Mir war es nur recht. Schon mischten sich Tag und Traum, da hüstelte jemand hinter mir. Ich sah mich um.
Auf dem Vorsprung über dem Höhleneingang saß Lynfir.
„Na“, sagte er und es klang halb schuldbewusst, halb herausfordernd.
Ich sprang auf.
„Oh, du elende Bestie!“ Ich holte Luft, um ihn anzuschreien.
Er jedoch glitt von seinem erhöhten Sitz, der lange Schwanz umfing mich und ich wurde gedrückt.
„Beim Feuer der Tiefe! Anjûl!“ Er schrappte mich an seiner Wange entlang. „Und ich dachte …“ Er betrachtete mich gründlich und seine Ohren richteten sich nach hinten, als er den Stumpf entdeckte. „Oh“, sagte er. Und dann wieder: „Oh!“
Irgendwie brachte ich meine Vorwürfe nicht heraus.
Lynfir setzte mich sanft in seinem Nacken ab, sah mich aus seinen großen Augen über die Schulter hinweg noch einmal an und stieg dann jäh in die Luft. In schnellem Flug hielt er auf das Hochgebirge zu.
„Wohin fliegst du?“, rief ich.
„Zu Veshira.“
Nun, das passte mir durchaus. Also klammerte ich mich mit der verbliebenen Hand fest, so gut es ging, und war froh um den Wind, der mir um die Nase blies, denn auf dem Nackenkamm eines fliegenden Drachen einzuschlummern, ist nicht empfehlenswert. Der Wind hielt mich wach, zauste mein Haar und bewegte die Baumkronen tief unter uns. Als Lynfir noch ein wenig höher aufstieg, konnte ich das Plateau sehen, auf dem der Drachenkampf stattgefunden hatte.
Erst wunderte ich mich über die schwarze, wild bewegte Wolke am Fuß des hohen Felsens. Dann begriff ich, dass es ein ungeheurer Schwarm Aasvögel war, der sich dort eingefunden hatte.
„Lynfir“, schrie ich. „Wer hat diesen Kampf gewonnen?“
„Niemand“, schrie er zurück. „Denn dann kam Niflingyr.“
Ich sah noch einmal genauer hin.
Unter dem Geflatter der Raben und Krähen meinte ich Gymels grünes Schuppenkleid auszumachen, doch sicher war ich nicht.
„Hat Rychford also überlebt?“
„Ja.“
Nun, das war möglicherweise eine gute Nachricht.
Als wir den Kampfplatz überflogen, wurde die ganze Wucht des Drachenkampfes sichtbar. In weitem Umkreis ragten nur noch geschwärzte Skelette einstmals belaubter Bäume auf. Schutt lag im Tal. Nirgendwo mehr Gras, keine Kühe, keine Bauernkate.
Erst als wir in die Gegend von Reseldâr kamen, sah ich wieder üppig sprießende Weiden und Vieh. Dann näherten wir uns dem Nistplatz.
Oben auf dem Achlet Myrs, dem Wachfelsen, saß ein Drache. Das hatte ich bisher nur einmal gesehen – kurz vor unserem Angriff auf Niflingyrs Höhle, der dann so schmählich scheitern sollte. Offenbar war es ein noch junger Drache, ein wenig schlaksig und nervös, und er schreckte ohne Not gleich den ganzen Nistplatz auf. Überall erhoben sich Drachenmütter von ihren Gelegen. Dann drängte sich Veshira an den anderen vorbei.
„Kommt er schon? Er kann doch noch nicht hierher unterwegs sein?“
„Nein, noch nicht“, rief ich.
Daraufhin legte sich der Aufruhr.
Lynfir setzte mich diesmal auf dem Nestrand ab und ich sah auf drei Nestlinge hinab, die alle im lebhaften Farbton frisch erblühter Veilchen prangten. Ihre riesigen amethystfarbenen Augen sahen zu mir auf. Schwingen wurden entfaltet, die kaum mehr Spannweite besaßen, als die eines Adlers. Die drei zischten wie Gänse, verwundert, weil mich Veshira nicht
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