Drachenreiter
legte ihm die Hand auf die Schuppen. »Dahinten ist jemand. Siehst du die Augen?«
»Ich weiß«, antwortete der Drache leise. »Sie sind schon lange da. Lass uns warten.«
Ein paar Augenblicke lang blieb es still. Lungs Feuer brannte knisternd zwischen den Steinen. Plötzlich schob sich ein Drache aus dem Tropfsteindickicht am Ende der Höhle. Er war etwas kleiner als Lung, mit feineren Gliedern, aber seine Schuppen schimmerten genauso silbern.
»Es ist eine Drachin«, flüsterte Schwefelfell Ben zu. »Du erkennst es an den Hörnern. Sie sind gerade, nicht gebogen wie bei Lung.«
Ben nickte.
Die Drachin schnupperte - und ging zögernd auf Lung zu. Ein paar Atemzüge lang standen sie sich schweigend gegenüber. »Du bist nicht golden«, sagte die Drachin schließlich mit rauer Stimme.
Lung schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er. »Ich bin wie du.«
»Ich - war mir nicht sicher«, sagte die Drachin zögernd. »Ich habe den Goldenen nie selber gesehen. Aber ich habe furchtbare Dinge von ihm gehört. Er soll sehr listig sein - und manchmal kleine Wesen bei sich haben.«
Neugierig blickte sie erst Schwefelfell, dann Burr-burr-tschan an.
»Das sind Kobolde«, sagte Lung. »Du hast bestimmt auch von ihnen schon gehört.«
Die Drachin runzelte die Stirn. »Sie sollen uns verraten haben. Als wir sie am nötigsten brauchten.«
»Was?«, rief Burr-burr-tschan empört. »Wir ...«
Lung sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Reg dich nicht auf«, sagte er, »dafür ist später Zeit.«
»Wo sind die anderen?«, fragte Ben und trat aus Lungs Schatten.
Überrascht wich die Drachin zurück. »Der Drachenreiter«, flüsterte sie. »Der Drachenreiter ist zurück!«
Ben senkte verlegen den Kopf.
»Wo die anderen sind?« Die Drachin beugte sich über ihn, bis ihre Schnauzenspitze fast seine Nase berührte. »Sie sind hier. Sieh dich um.«
Verwirrt blickte Ben an ihr vorbei. »Wo?«
»Da«, antwortete die Drachin und wies mit dem Kopf hinter ihn. Schwefelfell stieß einen Pfiff aus.
»Ja«, flüsterte sie. »Sie hat Recht. Da sind sie.«
Sie kletterte auf einen der gezackten Hügel, die sich ringsum auftürmten, und strich sprachlos über den schuppigen Fels. Lung und die anderen blickten ungläubig zu ihr hoch. Ben streckte die Hand aus und strich über steinerne Drachenschwänze und gebeugte Hälse aus grauem Fels. Die Drachin trat hinter ihn.
»Wir waren dreiundzwanzig«, sagte sie. »Aber ich bin die Einzige, die übrig ist. Maja, die Leichtsinnige, haben sie mich immer genannt, Maja, die Mondsüchtige.« Nachdenklich schüttelte sie den Kopf.
Lung drehte sich zu ihr um. »Was ist passiert?«
»Sie sind nicht mehr nach draußen gegangen«, antwortete Maja mit leiser Stimme. »Sie sind nicht mehr im Mondlicht geflogen. Ganz langsam haben sie sich verwandelt. Ich habe sie gewarnt. Ich habe gesagt, wenn ihr den Mond vergesst, ist das gefährlicher für euch als der goldene Drache. Aber sie wollten nicht hören. Sie wurden müde, träge, schlecht gelaunt. Sie haben mich ausgelacht, wenn ich mich hinausschlich ins Mondlicht oder bei Vollmond zum See hinunterflog. Ständig haben sie die alte Geschichte erzählt, von dem goldenen Drachen, der uns alle vernichten wird, wenn wir uns nicht vor ihm verstecken. Pass auf, er ist da draußen, haben sie gesagt, wenn ich hinauswollte. Er wartet auf uns. Aber er war nie da. Ich habe gesagt: Es gibt noch eine andere Geschichte, erinnert euch: die vom Drachenreiter, der zurückkommen wird, an dem Tag, an dem Silber mehr wert ist als Gold. Er wird mit uns den goldenen Drachen besiegen. Da haben sie nur mit den Köpfen geschüttelt und gesagt, dass der Drachenreiter tot ist und niemals wiederkehrt.« Sie blickte Ben an. »Aber ich hatte Recht. Der Drachenreiter ist zurückgekommen.«
»Vielleicht«, sagte Lung und blickte die versteinerten Drachen an. »Aber noch jemand ist zurück, Nesselbrand ist auch hier. Der goldene Drache.«
»Er ist uns hierher gefolgt«, fügte Schwefelfell hinzu. »Er ist unten am See.«
Erschrocken blickte Maja die zwei an. »Der goldene Drache?«, fragte sie fassungslos. »Es gibt ihn also wirklich? Und er ist hier?«
»Er war schon oft hier«, sagte Burr-burr-tschan. »Aber er hat den Eingang der Höhle nie gefunden. Und das wird er auch diesmal nicht.«
Lung nickte. »Trotzdem, wir haben ihn hergeführt. Es tut mir Leid.« Er senkte den Kopf. »Ich war so neugierig darauf, diesen Ort zu finden, dass ich Nesselbrand vor eure Tür
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