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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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verschwand, bemerkte sie leider nicht.

   NESSELBRAND, DER GOLDENE
     
    Die Zwerge hatten Recht. Die Burg, in deren Nähe Lung sich verirrt hatte, war ein dunkler Ort - und viel gefährlicher für einen Drachen als für ein paar Steinzwerge. An Zwergen war ihr Bewohner genauso wenig interessiert wie an Fliegen oder Spinnen. Aber auf einen Drachen wartete er seit mehr als hundertfünfzig Jahren.
    Die Mauern der Burg waren längst zerfressen vom Regen. Die Türme waren eingestürzt, die Treppen überwuchert von Disteln und Dornen. Aber das störte ihren Bewohner nicht. Sein Panzer war unempfindlich gegen Regen, Wind und Kälte. Tief unten in den feuchten Kellergewölben hauste er, Nesselbrand, der Goldene, und sehnte sich nach den fetten Jahren zurück, in denen das Burgdach noch keine Löcher gehabt hatte und er auf die Jagd gegangen war, auf die Jagd nach der einzigen Beute, die zu jagen ihm Spaß machte - den Drachen.
    Nesselbrands Panzer glänzte immer noch wie pures Gold. Seine Krallen waren spitzer als Glassplitter, seine Zähne scharf und seine Kraft größer als die jedes anderen Lebewesens. Aber er langweilte sich. Die Langeweile fraß ihn auf. Sie machte ihn wild und wütend, bissig wie einen angeketteten Hund und so launisch, dass er die meisten seiner Diener längst gefressen hatte.
    Nur einer war noch übrig, ein spindeldürrer Winzling namens Fliegenbein. Tagaus, tagein polierte er Nesselbrand den Panzer, staubte seine Rückenstacheln ab, putzte ihm die blitzenden Zähne und schärfte ihm die Krallen.
    Tagaus, tagein, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, während der goldene Drache in seiner zerfallenden Burg lag und darauf wartete, dass endlich einer seiner zahllosen Spione die Nachricht brachte, auf die er schon so endlos lange wartete - Nachricht von den letzten Drachen, damit er endlich wieder auf die Jagd gehen konnte.
    An diesem Morgen, an dem Lung nur ein paar Gipfel entfernt zwischen den Felsen schlief, waren schon zwei Spione gekommen - einer von Nesselbrands Raben aus dem Norden und ein Irrlicht aus dem Süden. Aber nichts hatten sie zu berichten gewusst. Überhaupt nichts. Nur lächerliche Dinge über ein paar Trolle hier, ein paar Feen da, über eine Seeschlange, einen Riesenvogel - nichts über Drachen. Gar nichts. Deshalb hatte Nesselbrand sie zum Frühstück gefressen, obwohl er wusste, dass er Bauchschmerzen von Rabenfedern bekam, abscheuliche Bauchschmerzen.

    Seine Laune war furchtbar, als Fliegenbein sich, mit Lappen und Bürsten bewaffnet, vor ihm verbeugte. Der Winzling kletterte auf Nesselbrands riesigen Leib um den goldenen Schuppenpanzer zu polieren, der seinen Meister vom Kopf bis zur Schwanzspitze bedeckte.
    »Vorsicht, du hohlköpfiger Homunkulus!«, fauchte Nesselbrand ihn an. »Auuuu! Tritt heut nicht auf meinen Bauch, verstanden? Warum hast du mich nicht daran gehindert, diesen elenden schwarzen Vogel zu fressen?«
    »Ihr hättet nicht auf mich gehört, Meister«, antwortete Fliegenbein. Aus einer grünen Flasche goss er etwas von der Panzerpolitur in den Wassereimer, die die Steinzwerge eigens für seinen Herrn anrührten. Nur davon wurden die Schuppen so glänzend, dass er sich darin spiegeln konnte.
    »Stimmt!«, knurrte Nesselbrand.

    Fliegenbein tauchte den Lappen ins Putzwasser und machte sich an die Arbeit. Aber schon nach drei geputzten Schuppen wälzte sich sein Meister stöhnend auf die Seite. Fliegenbeins Eimer fiel um und landete auf dem Boden.
    »Hör auf!«, brüllte Nesselbrand. »Lass heute die Poliererei! Mein Bauchweh wird schlimmer davon. Mach dich ans Krallenschärfen, los!« Mit seinem eisigen Atem pustete er Fliegenbein von seinem Rücken. Kopfüber purzelte der kleine Wicht auf die zerborstenen Steinfliesen der Burg. Ohne ein Wort rappelte er sich wieder auf, zog eine Feile aus dem Gürtel und machte sich daran, die schwarzen Krallen zu schärfen.
    Missmutig beobachtete Nesselbrand ihn dabei. »Los, erzähl mir was!«, knurrte er. »Erzähl mir meine alten Heldentaten.«
    »O nein, nicht schon wieder!«, murmelte Fliegenbein.
    »Was hast du da gerade gesagt?«, knurrte Nesselbrand.
    »Nichts, gar nichts«, antwortete Fliegenbein hastig. »Es geht schon los, Meister. Moment. Wie war das gleich? Ach ja«, der kleine Mann räusperte sich: »In einer kalten, mondlosen Winternacht des Jahres 1423 ...«
    »1424!«, fauchte Nesselbrand. »Wie oft soll ich dir das noch sagen, Käferhirn?« Ärgerlich schlug er nach dem Winzling, aber Fliegenbein wich

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