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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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sosehr er auch den Wüstensand durchpflügte, Barnabas Wiesengrund blieb verschwunden. Kiesbart stand auf einem Stein und schob immer wieder die Finger unter seine Weste um den goldenen Ring des Professors zu betasten. Barnabas Wiesengrund klammerte sich die ganze Zeit an Nesselbrands Schwanzstachel und wartete auf eine Gelegenheit, sich in den Sand fallen zu lassen und davonzukriechen. Zuerst fürchtete er, das Ungeheuer würde sich über das Zeltlager hermachen und, wenn er ihn schon nicht erwischte, ein paar Kollegen verspeisen. Aber Nesselbrand schien die Menschen zu scheuen. Und als er den Professor nicht fand, obwohl er die halbe Wüste umgewühlt und dabei mehr Ruinen freigelegt hatte als alle Archäologen zusammen, stand er schnaufend im Sand. Mit zuckendem Schwanz und gebleckten Zähnen blickte er nach Osten.
    »Panzerputzer!«, brüllte er. »Steig auf! Wir müssen zurück. Ich will hören, was dieser Dschinn gesagt hat.«
    Barnabas Wiesengrund zuckte zusammen. Vor Schreck hätte er Nesselbrand fast in den Schwanz gekniffen. Hatte das Monstrum »Dschinn« gesagt? Er schob den Kopf ein bisschen vor um besser lauschen zu können.
    »Ich komm ja schon, Euer Goldheit!«, rief der Steinzwerg. Mürrisch stapfte er auf seinen Meister zu und kletterte an seinem Panzer empor.
    »Wehe, dieser Dummkopf von einem Spion hat immer noch nichts zu berichten«, knurrte Nesselbrand, während Kiesbart sich wieder zwischen seine Hörner setzte. »Wenn ich nicht bald erfahre, wo der Saum des Himmels ist, dann fress ich eben doch nur den einen Drachen mitsamt seinem Menschlein und dem struppigen Kobold. Bah, Kobolde schmecken abscheulich nach Pilzen. Und viel zu haarig sind sie auch.«
    Barnabas Wiesengrund hielt den Atem an. Er konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte.
    Nesselbrand drehte sich um und trottete mit bösem Knurren zu dem Schacht zurück, aus dem er gekrochen war. Knapp davor ließ sich der Professor in den Sand fallen und kroch, so schnell ihn seine Knie trugen, zwischen die Trümmer der Brunnenmauer. Am Rand des Loches blieb Nesselbrand noch einmal stehen und drehte sich um. Mit seinen roten Augen blickte er über den zerwühlten Sand und hinüber zu den Zelten.
    »Ich finde dich, Wiesengrund-Mensch!«, hörte der Professor ihn knurren. »Ich finde dich und das nächste Mal wirst du mir nicht entkommen. Aber jetzt ist der silberne Drache dran.«
    Dann zwängte er sich wieder in den Schacht. Sein gezackter Schwanz glitt in das schwarze Brunnenloch. Ein Platschen und
    Prusten drang aus der Tiefe - und Nesselbrand war verschwunden.
    Barnabas Wiesengrund saß wie vom Donner gerührt zwischen den Trümmern des Brunnens.
    »Ich muss sie warnen!«, murmelte er. »Ich muss Lung und die anderen vor diesem Monster warnen. Aber wie? Und wer, zum Teufel, hat Nesselbrand, dem Goldenen, von dem Dschinn erzählt?«

    AM WEGWEISER
     
     
    In der vierten Nacht wurde das Land, über das Lung flog, bergiger, wie der Professor es ihnen erzählt hatte. Eine wilde Felslandschaft lag unter ihnen im Mondlicht. Die Erde sah aus wie ein zerknittertes graues Gewand. Höher und höher wölbten sich die Felsen, einige von ihnen stachen wie Dornen in den Himmel. Ben blickte voll Staunen hinab auf Städte, die an steilen Hängen klebten und tausend Zinnen aus hellem Lehm dem Mond entgegenstreckten.
    »Wie Tausendundeine Nacht!«, murmelte er.
    »Wie was?«, fragte Schwefelfell.
    »Wie Tausendundeine Nacht«, wiederholte Ben. »Das sind Geschichten, weißt du? Ganz viele Geschichten. Von fliegenden Teppichen und so was. Dschinnen kommen auch drin vor.«
    »So, so«, brummte Schwefelfell. Sie war die Felsen und den Sand leid. Die Augen schmerzten ihr von all dem Grau und Gelb und Braun. Sie wollte Bäume sehen. Sie wollte Blätter im Wind rauschen hören - und nicht dieses ewige Grillenzirpen in den Ohren haben. Zweimal schon war Lung auf ihr Drängen hin vor einem Wegweiser gelandet, aber beide Male war es die falsche Straße gewesen. Ben hatte es ihr gleich gesagt, ihr die Karte vor die Nase gehalten, doch die Ungeduld machte sie langsam verrückt. »Aber die nächste«, sagte sie, »die nächste Abzweigung muss es sein, oder?«
    Ben nickte. »Ja, ganz bestimmt.« Plötzlich beugte er sich vor. »He, Schwefelfell!« Er zeigte aufgeregt nach unten. »Guck mal. Da unten. Siehst du das?«
    Die dunklen Berghänge neben der Straße glitzerten heller als das Meer im Mondlicht.
    »O nein!«, stöhnte Schwefelfell. »Das sind sie. Ganz

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