Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
steckenbleibt. Jetzt möchte ich Euch zeigen, was passiert, wenn ich den Bogen etwas weiter spanne.«
Es wirkte beinahe wie Magie, so rasch hatte Dafydd den nächsten Pfeil angelegt und abgeschossen. Der Pfeil durchbohrte die Tischplatte und wurde erst vom Boden aufgehalten. Nur noch die Federn und das eingekerbte Ende schauten aus dem Holz hervor.
»Wie Ihr seht«, meinte Dafydd in geradezu liebenswürdigem Ton, »stellt mein Bogen durchaus eine vollwertige Waffe dar. Vielleicht solltet Ihr, Sir Herrac, nun Euren Sohn, Sir Giles, hereinrufen, der mit Sir James und mir in Frankreich war, damit dieser die Geschichte des Schwertes erzählt, mit dem er den Kronprinzen von England gegen zwanzig Ritter eines bösen Hexers verteidigt hat. Würdet Ihr das tun, Sir Herrac?«
Statt zu antworten, wandte Herrac lediglich den Kopf und brüllte einen Befehl, den die draußen wartenden Bediensteten bestimmt nicht überhören konnten.
»Ho! Holt Sir Giles - sofort!«
Gleich darauf ging die Tür auf, und herein trat Sir Giles.
»Man brauchte mich gar nicht erst zu suchen, Vater«, sagte er. »Ich habe vor der Tür gewartet.«
»Seine Hoheit möchte, daß du uns erzählst, wie du vergangenes Jahr in Frankreich den Kronprinz von England mit dem Schwert verteidigt hast«, sagte Herrac mit dröhnender Stimme.
»Ja, Vater«, antwortete Giles. Er blickte auf den Tisch nieder und hob die Stimme, um sich allseits verständlich zu machen. »Das Schwert, mit dem ich die Ehre hatte, den jungen Prinzen verteidigen zu dürfen, stammte von Prinz Merlon persönlich.«
Er wandte sich Dafydd zu.
»Edler Herr?« fragte er. »Was soll ich den Herrschaften über Euer Schwert erzählen?«
»Erzählt ihnen, wie ich es erworben habe«, sagte Dafydd.
»Das werde ich gerne tun«, meinte Sir Giles. Wahrscheinlich war er der kleinste unter den Anwesenden. Allerdings sträubte sich sein Schnurrbart mächtig, und die große Nase, derer er sich sonst schämte, war stolz in die Höhe gereckt.
»Es war vor der Schlacht von Nouaille-Poitiers, und Prinz Edward hatte kein Schwert. Er bat uns, ihm eines zu geben, denn es erfüllte ihn mit Scham, als ein Plantagenet am Tag der Schlacht ohne Schwert zu sein.«
Er blickte zu Dafydd, und dieser nickte ihm zu, er solle weiterreden.
»Allerdings wollte sich keiner von seiner Waffe trennen, denn was wäre schließlich ein Ritter ohne sein Schwert?«
Im Raum erhob sich zustimmendes Gemurmel. Jim wunderte sich zunächst, doch dann fiel ihm ein, daß die Northumbrier erst seit kurzem dem englischen Königreich angehörten; jedenfalls hätten auch sie sich auf keinen Fall von ihren Schwertern getrennt.
»Wir zögerten also«, fuhr Sir Giles fort. »Und er -Prinz Merlon - meinte zu Prinz Edward, der ihn lediglich als einfachen Bogenschützen kannte, er wisse vielleicht eine Lösung. Prinz Merlon holte daraufhin ein wundervolles Ritterschwert in einer juwelenbesetzten Scheide aus seinem Gepäck. Dieses reichte er dem Prinzen, der es halb aus der Scheide zog und eine Weile voller Unbehagen betrachtete. >Dieses Schwert kann ich nicht tragen<, sagte der Prinz.«
Im Raum war es mucksmäuschenstill. Sir Giles holte tief Luft.
»Da schämte ich mich auf einmal, weil ich ihm mein Schwert nicht schon eher angeboten hatte«, sagte Giles.
»Ich trat vor, löste die Scheide von meinem Schwertgürtel und reichte sie mit dem Schwert dem edlen englischen Prinzen mit den Worten >Wenn Ihr mir die Ehre er weisen würdet, das Schwert eines einfachen Ritters anzunehmen, worauf der Prinz es gnädig entgegennahm. Daraufhin befestigte ich Prinz Merlons Schwert an meinem Gürtel. Mit diesem Schwert gelang es mir anschließend, den jungen Kronprinzen von England gegen seine Feinde zu verteidigen.«
Er verstummte.
»Ich danke Euch, Sir Giles«, sagte Dafydd. »Aber Ihr habt noch nicht erzählt, wie das Schwert in meinen Besitz gelangte.«
»Oh. Verzeiht mir«, sagte Sir Giles. »Ich sollte Euch allen« - er wandte sich wieder an die Allgemeinheit -»berichten, wie Da...«
Sir Giles bemerkte seinen Versprecher gerade noch rechtzeitig.
»...wie Prinz Merlon das Schwert erworben hat. Auch damals war er als Bogenschütze verkleidet, genau wie heute, jedoch in Wales, das nun englisches Territorium ist. Einer der englischen Gouverneure meinte, er müsse Turniere abhalten, vor allem um die Überlegenheit seiner Ritter über die walisischen Untertanen zu demonstrieren. An dem betreffenden Tag hatte sich der Gouverneur eine besondere
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