Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
diesmal aber nicht so lange währte.
»Ich würde meinen, unser Befehlshaber hat recht«, warf Sir John der Graeme ein. »Ich wüßte nicht, weshalb wir die Besprechung noch weiter fortführen sollten. Laßt uns alle in den Palas gehen, wo unsere Gastgeber Speis und Trank bereitgestellt haben. Wer anderweitig dringende Geschäfte zu erledigen hat, dem sage ich schon jetzt Lebewohl. Ich freue mich darauf, Euch vor der Schlacht wiederzusehen.«
Begleitet von Stimmengewirr löste sich die Versammlung auf. Am Tisch erhoben sich alle und mischten sich unter die hinter ihnen Stehenden. Die Tür stand offen, und Herrac war als erster hinausgetreten, auf den Fersen gefolgt von Jim, Dafydd und Sir John. Die anderen folgten ihnen als ungeordneter, lärmender Haufen von Männern, die sich über den kurzen Gang in den Palas begaben.
Wie im Mittelalter nicht unüblich, artete das Essen in ein Gelage aus.
Um nicht mehr Wein zu trinken, als er eigentlich wollte, brach Jim unter dem Vorwand, noch etwas erledigen zu müssen, schon zeitig auf. Dafydd und zu seiner Überraschung auch Herrac schlössen sich ihm an.
»Ich hätte eigentlich gedacht, Ihr würdet Euch verpflichtet fühlen, noch zu bleiben, Sir Herrac«, sagte Jim, als sie wieder zur Burg de Mer unterwegs waren; Sir Giles und einige von Herracs Bewaffneten begleiteten sie, denn die Gegend und die Zeiten waren unsicher.
»Es wird mich schon niemand vermissen«, sagte Herrac. »Und wenn ich geblieben wäre, hätten sich mir wohl einige vertraulich genähert, während sich andere um Sir John den Graemen gesammelt hätten. Ich halte es nämlich durchaus für möglich, daß er seine eigenen Wege geht und daß der eine oder andere dabei mitmacht.«
»Ihr seid sehr klug«, murmelte Dafydd. Herrac fuhr fort.
»Ich glaube, ein Befehlshaber sollte auf Abstand zu seinen Untergebenen halten. Da Ihr beide meine Gäste seid, kann ich mich kaum von Euch distanzieren. Aber ich beabsichtige, entweder zu befehlen oder es ganz sein zu lassen; und ich glaube, der erste Schritt in diese Richtung besteht darin, die erwähnte Distanz herzustellen.«
»Ich kann mich Dafydd nur anschließen«, sagte Jim gerade laut genug, um das Knarren der Sättel und das Klappern der Hufe zu übertönen. Es war eine kalte, wolkenlose Nacht, die Pferde hatten Dampfwolken vor den Mäulern, und der Mond war zu drei Vierteln voll. Der Weg war gut zu erkennen, so daß niemand mit einer Fackel vorausreiten mußte. Jim fand Gefallen an Herracs Einstellung.
Eigentlich war er der geborene Anführer, dachte Jim. Bis jetzt hatten seine anderen Pflichten ihn bloß daran gehindert, diese Rolle zu übernehmen. Er fragte sich, ob Herrac über seine Ernennung zum Befehlshaber wohl Genugtuung verspürte. Dabei fiel ihm etwas ein, das noch der Klärung harrte.
»Sir Herrac«, sagte er, »als Dafydd meinte, an der Beratung würden fünf Kleine teilnehmen, habt Ihr gerade im richtigen Moment das Wort ergriffen. Dabei war keineswegs abgemacht, daß Ihr die alleinige Verantwortung dafür übernehmt...«
»Das ist jetzt meine Aufgabe«, fiel ihm Herrac ins Wort. »Würdet Ihr das anders sehen, Sir James, wenn Ihr das Kommando führtet?«
Jim ließ sich das durch den Kopf gehen.
»Da habt Ihr wohl recht«, sagte er. »Ja, ich würde mich genauso verhalten. Trotzdem hat Eure Stimme den Ausschlag gegeben, und ich bezweifle, daß ich einen vergleichbaren Einfluß auf die Grenzer gehabt hätte.«
»Sie kennen mich«, entgegnete Herrac knapp.
Das glaubte Jim ihm gern. Mit seiner Stärke und Größe und als der Silkie, der er war, war er schon zu Lebzeiten eine Legende bei den Grenzbewohnern. Das auszusprechen wäre allerdings im Moment nicht ganz passend gewesen. Folglich schwieg er.
Sie gelangten unbeschadet zur Burg und trennten sich, um sich zu Bett zu begeben. Jim begleitete Dafydd, denn er wollte noch kurz nach Brian sehen. Brian lag im Bett, denn er war zu müde, um sich noch länger auf den Beinen zu halten. Allerdings ärgerte es ihn, daß er zu Tatenlosigkeit verdammt war und an der Versammlung nicht hatte teilnehmen können.
Er hörte sich interessiert an, was Jim, Dafydd und Sir Giles, der ebenfalls mitgekommen war, ihm zu berichten hatten. Als er vernahm, wie Herrac sich für die Teilnahme der Kleinen Leute eingesetzt hatte, jauchzte er laut auf, und als Jim Herracs Bemerkung über die notwendige Distanz zwischen Befehlshaber und Untergebenen wiedergab, klatschte er in die Hände.
»Wie recht der edle Ritter
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