Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
er noch zu benommen, um mehr zu sagen als diese paar Worte. Währenddessen war sie neben ihn getreten und betrachtete im fahlen Licht, das durch das Fenster sickerte, neugierig das Bett.
»Habt Ihr denn gar nicht geschlafen, Mylord?« fragte sie, als Jim die Matte hochhob und sie sich unter den Arm klemmte.
»Ich hatte noch etwas zu erledigen«, antwortete Jim so bedeutungsvoll, wie es ihm zu dieser frühen Stunde möglich war. »Ich bin sicher, Ihr habt dafür Verständnis.«
»Aber gewiß doch!« Liseth musterte ihn neugierig.
»Würdet Ihr mich einen Augenblick allein lassen? Es dauert nicht lange. Laßt niemanden ins Zimmer.«
»Ich werde darauf achten, daß niemand dieser Tür auch nur nahe kommt, Mylord!« versicherte Liseth heftig. »Ihr könnt mir vertrauen.«
»Oh, das tue ich!« sagte Jim. Sie ging hinaus und schloß hinter sich die Tür.
Jim schnürte eilends den Lederriemen seiner Hose auf und begab sich zum Nachttopf. Es war eine lange Nacht gewesen, und er war kein einziges Mal aufgewacht. Er erleichterte sich, dann band er den Riemen hastig wieder zu und trat auf den Gang.
»Es tut mir leid, daß ich Euch so lange warten ließ«, sagte er.
»Lange?« erwiderte Liseth. »Aber es hat doch nur einen Augenblick gedauert, genau wie Ihr gesagt habt.«
»Ah«, meinte Jim, der mittlerweile hellwach war, »wenn Magie mit im Spiel ist, verändert sich bisweilen das Zeitgefühl. Ihr habt doch bestimmt schon einmal von denen gehört, die von Feen oder Elementargeistern geraubt wurden und die anschließend meinten, sie seien nur Tage fortgewesen, obwohl es in Wirklichkeit Jahre waren?«
»Aber ja«, sagte Liseth, »meine Amme hat mir viele solcher Geschichten erzählt. Besonders gut erinnere ich mich an die Geschichte vom Aschenputtel - und wie der Prinz, den sie geheiratet hat, ihre Stiefmutter und Stiefschwestern bei der Hochzeit in glühendheißen Schuhen tanzen ließ. Was habe ich da gelacht!«
»Äh... ja«, meinte Jim.
Sie gingen die Treppe hinunter, durchquerten die Küche und den Palas und begaben sich in den Stall. Dieser befand sich in einem Vorgebäude, das nicht weit vom Turm auf dem Hof lag.
Erst jetzt, da Jim das hektische Treiben gewahr wurde, das im Stall herrschte, fiel ihm ein, daß er seine Waffen, seine Rüstung und all die anderen Dinge, die er für einen Zweitagesritt brauchen würde, in Brians Zimmer gelassen hatte. Er wollte sich gerade eine Entschuldigung zurechtlegen, als er seine Ausrüstung neben der Boxentür entdeckte, hinter der sein Streitroß Gorp untergebracht war.
»Jemand hat meine ganzen Sachen von Brians Zimmer herunterbringen lassen!«
»Ich war so kühn, dies zu veranlassen«, sagte Liseth. »Hätte ich das nicht tun sollen, Mylord?«
»Aber nein!« entgegnete Jim. »Ihr habt recht daran getan. Ihr habt genau das ausgewählt, was ich brauchen werde. Ich stehe in Eurer Schuld.«
»In meiner Schuld?« echote Liseth mit gerunzelter Stirn. »Aber keineswegs, Mylord. Kein einziges Teil gehört mir oder zur Burg de Mer.«
»Verzeiht meine ungeschickte Wortwahl, Mylady«, sagte Jim. »Wir Magier drücken uns bisweilen etwas anders aus als gewöhnliche Menschen. Ich wollte sagen, ich bin Euch zu Dank verpflichtet.«
In diesem Moment führte ein Stallbursche Gorp aus der Box. Das Pferd war bereits gesattelt, und Jims Lanze steckte aufrecht in dem Futteral rechts am Sattel.
»Wenn Ihr es wünscht, Mylord, helfe ich Euch, die Rüstung anzulegen«, sagte Liseth.
Als Jim sie ansah, fiel ihm auf, daß sie ausgesprochen unterwürfig wirkte. Zum erstenmal kam ihm der Gedanke, daß sie ihn ebenso attraktiv finden könnte wie Danielle o'the Wold, die ihn selbst in Drachengestalt anziehend gefunden hatte. Der Grund war wohl jedesmal der gleiche, nämlich die magische Aura, die ihn umgab. Danielle hatte sich vorgestellt, er sei ein verzauberter Prinz. Oder zumindest hatte Danielle damals den Eindruck erweckt, obwohl sie möglicherweise lediglich Dafydd, mit dem sie mittlerweile verheiratet war, hatte eifersüchtig machen wollen.
Die Magie und alles, was damit zusammenhing, schien auf die Bewohner dieser Welt eine ebenso große Faszination auszuüben wie Lotterien in der Welt, in der Jim aufgewachsen war und die er verlassen hatte. Beidesmal waren Träume im Spiel, Träume von Wundern und Reichtümern, die selbst denen, die nur von ferne mit der Magie in Berührung kamen, zugänglich zu sein schienen. Dabei standen die Chancen, daß diese Träume Wirklichkeit wurden, bei
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