Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
unverhohlen finstere Gesichter und bedachten sie mit wilden Blicken.
»Und was geht das dich an, Bursche?« fuhr Brian den Mann an.
Er griff dabei nicht nach dem Heft seines Schwerts, aber offenkundig unterließ er es eher aus Verachtung denn aus Furcht, daß ein solcher Schritt die Menge zu einer Feindseligkeit hinreißen könnte. Brian hatte auf seine gewohnte Art sofort Feuer gefangen, und sein Benehmen hatte, wie Jim wußte, nichts mit Heuchelei zu tun. Er war durchaus bereit, es mit ihnen aufzunehmen, wenn sie nicht respektvoll und entgegenkommend waren.
Jim kam plötzlich eine Erleuchtung.
»Ja wirklich!« sagte er und glich seine Stimme dem Tonfall Brians an, so gut er es vermochte. »Wir stehen in Diensten des Königs. Wenn es uns beliebt, eure Boote gleich hier an Ort und Stelle niederzubrennen, so geht das euch nichts an, wenn wir auf königlichen Befehl handeln!«
Die Menge prallte vor seinen Worten nicht gerade zurück, aber Brians und Jims vereinte Bemühungen brachten sie offensichtlich ins Grübeln. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen unter den Seemännern. Dann öffnete der Mann, der als erster gesprochen hatte und an der Spitze stand, abermals den Mund. Aber diesmal war sein Tonfall versöhnlicher.
»Diese Boote sind unser Leben, meine Herren Ritter«, sagte er. »Wenn Ihr davon sprecht, sie zu verbrennen, könntet Ihr ebensogut davon sprechen, uns zu verbrennen. Denn dann werden wir verhungern, zusammen mit unseren Frauen und Kindern.«
»Dann sieh zu, daß du uns gegenüber eine höfliche Rede führst, Bursche!« brauste Brian auf, der immer noch nicht beschwichtigt war und den es offensichtlich in allen zehn Fingern nach einem Kampf juckte.
»Es ist nicht so, als verstünden wir eure Lage nicht«, sagte Jim, der die Gelegenheit ergriff, Öl auf die aufgewühlten Wogen der augenblicklichen Unterhaltung zu gießen, »aber wir müssen zuerst an Frankreich denken!«
Die Menge hinter dem an der Spitze stehenden Mann brach in verhaltenes Murren aus. Jim glaubte, einige Bemerkungen ungefähr dieses Inhalts gehört zu haben: »Ho! Frankreich! Was hat denn Frankreich je für uns getan?«
Der pockennarbige Mann straffte die Schultern, nahm jedoch nun die Hand von seinem Gürtel und aus der unmittelbaren Nähe seines Messers.
»Sucht Ihr nach jemandem?« fragte er.
»Gewiß«, erwiderte Brian, bevor Jim sprechen konnte. »Nach einem ehrlichen englischen Kapitän und einem Schiff, das uns nach England bringt.«
»England!« Jetzt klang die Menge vor allem wütend.
»Hier gibt es keine englischen Seeleute!« sagte der Anführer steif. »Wir sind hier alle Franzosen, meine Herren Ritter!«
Dann sah er sie plötzlich beinahe hinterhältig an.
»Oder ist es möglich, daß Ihr in Wirklichkeit selbst Engländer seid?«
»Schotten und Engländer!« sagte Jim, bevor Brian abermals antworten konnte. »Wir sind Edelleute, die König Jean treu ergeben sind, und kommen gerade von einer Unterredung bei ihm. Jetzt müssen wir - so will es unsere Pflicht ihm gegenüber - nach England zurückkehren. Aber das sind unsere Angelegenheiten, und wir werden sie nicht mit euch besprechen.«
Jim hatte den pockennarbigen Seemann mit seinen Worten nicht gekränkt, wie er sehr wohl wußte. Es war nicht ungewöhnlich, wenn ein Ritter die Nase hoch in die Luft reckte und einem gemeinen Mann erklärte, daß er nichts verstand oder keine Erklärung bekommen würde, weil er kein Recht darauf hatte. Jims Worte schienen den Seemann vollkommen zufriedenzustellen.
»So oder so, meine Herren«, sagte der pockennarbige Mann in einem nun recht höflichen Tonfall, »wie ich bereits bemerkte, unter uns sind keine Engländer. Und Ihr werdet auch keinen Franzosen finden, der Euch heute - oder morgen, was das betrifft - über den Ärmelkanal bringt. Es heißt, der König plane, England in den allernächsten Tagen anzugreifen. Daher weiß ich nicht, wie Ihr dort hingelangen werdet, aber Ihr solltet auf alle Fälle schnell machen. Wir kehren jetzt in unsere Schenke zurück.«
»Ich habe mich gefragt«, meinte Jim, »warum ihr französischen Schiffskapitäne eure Schiffe so offen und unbewacht hier liegen laßt. Was wäre, wenn jemand versuchen würde, eines zu stehlen?«
Der pockennarbige Mann sah ihn eine Sekunde lang ungläubig an. Dies war für einen Ritter eine höchst ungewöhnliche Frage. In der Tat war die Vorstellung, daß ein Ritter - oder auch ein Gemeiner - sagte, er habe >sich etwas gefragt<, nahezu undenkbar. Dann
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