Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
als Jim befürchtet hatte. Dann legte er den Fisch auf Jims Speisebrett.
Außerdem bedachte er Jim mit einem beifälligen Blick. Er strahlte nicht eigentlich; das wäre zuviel gesagt gewesen. Richard de Bisby war nicht der Mann, der irgend jemanden anstrahlte, aber Jims Worte schienen ihm offensichtlich vom rechten Geist der Adventszeit zu künden.
Er stellte die Schale mit dem Aal wieder auf den Tisch und legte den Deckel darauf.
»Ich muß zugeben«, fuhr er mit leiserer Stimme fort, »daß ich unseren Gastgeber gebeten habe, uns nebeneinander zu setzen, damit wir uns ungestört unterhalten können. Ihr hättet Euch vielleicht einen anderen Tischgefährten gewünscht - sagen wir, jemanden wie Lady Agatha Falon dort drüben. Aber ich kann Euch versichern, daß sie sich sehr für unseren hochwohlgeborenen Grafen zu interessieren scheint.«
»Lady Agatha Falon?« Jims Interesse war sofort geweckt. Er sah sich um.
Die Frau neben dem Grafen war die Schwester des Toten, den sie im Wald gefunden hatten. Sie mußte tatsächlich, ging es Jim durch den Sinn, eine jüngere Halbschwester sein, denn zwischen ihr und dem Toten im Wald klaffte, was das Alter betraf, ganz offensichtlich eine Lücke von mindestens zwanzig Jahren. Sie war kaum mehr als durchschnittlich groß und kleiner als Angie, die sich angeregt mit ihrem Tischnachbarn, Sir John Chandos, unterhielt.
Auf den ersten Blick war Agatha Falon nicht weiter bemerkenswert, allerdings auf unbestimmte Art attraktiv, wenn auch ein wenig knochig. Mit ihrem toten Bruder hatte sie nicht die geringste Ähnlichkeit. Ihr Haar war schwarz, die Augen waren braun und lagen ein wenig weiter auseinander als üblich, sie hatte eine Stupsnase und einen breiten, ziemlich dünnen Mund, der aussah, als könne er sich leicht zu einem unleidlichen Ausdruck verziehen. Ein spitzes Kinn vervollständigte das ovale, ein wenig bläßliche Gesicht.
Im Augenblick war dieses Gesicht jedoch sehr lebhaft, und über den Puffärmeln und dem engen Mieder ihres himmelblauen Kleids wirkte sie in ihrem angeregten Gespräch mit dem Grafen beinahe hübsch. Der Graf, dessen Augen noch stärker hervorquollen als sonst - Jim glaubte, daß dies etwa in gleichem Maße an seiner Gefährtin wie am Wein lag -, war offensichtlich fasziniert, entweder von ihr oder von dem, was sie ihm zu sagen hatte.
»Vielen Dank, daß Ihr mich auf sie hingewiesen habt,
Exzellenz«, bemerkte er zum Bischof. »Sie ist die Schwester des unglücklichen Herrn, zu dessen Rettung wir auf unserem Weg hierher leider zu spät kamen, wie Ihr vielleicht bereits wißt.«
»Ja.« De Bisby tupfte sich mit einer Serviette, die er affektiert in seiner kräftigen Hand hielt, die Lippen ab. »Ein feiges und unglückliches Ende für einen Mann aus guter Familie. Aber ich vertraue darauf, daß die guten Brüder in der Priorei von Edsley ihm und seiner jungen Frau zu einem ordentlichen christlichen Begräbnis verhelfen haben.«
»Das haben sie wahrlich«, sagte Jim. »Aber Ihr sagtet vorhin, Ihr wolltet ungestört mit mir reden?«
»Ja«, erwiderte der Bischof und senkte abermals die Stimme, die in der Zwischenzeit beinahe ihre gewohnt durchdringende Lautstärke erreicht hatte. »Es geht um die Angelegenheit, über die Carolinus gewiß bereits mit Euch gesprochen hat. Um diese Burg.«
Er warf Jim einen wissenden Blick zu, den Jim ebenso geheimnisvoll erwiderte. Sie gehörten jetzt beide zu den Kräften hinter den Kulissen bei dieser Angelegenheit, die beinahe ein Staatsgeheimnis war.
»Eure Ankunft bei unserem Mahl hat sich unglücklicherweise verzögert«, fuhr de Bisby fort. »Aber eine solche Verzögerung ist völlig verständlich, da Ihr über eine junge Christenseele wacht - die hoffentlich bereits getauft ist... Ach, übrigens, es würde wahrscheinlich nicht schaden, das Kind noch einmal zu taufen, da die unsterbliche Seele des Säuglings immer noch in Gefahr sein könnte. Aber wie dem auch sei, ich verstehe selbstverständlich, daß Ihr und Eure Gemahlin nicht mit derselben Pünktlichkeit an der Tafel erscheinen konntet wie die übrigen Gäste. Dennoch, ich muß zugeben, ich war in Sorge, daß Ihr vielleicht überhaupt nicht erscheinen würdet.«
»Oh, diese Gefahr hat nie bestanden, Exzellenz«, entgegnete Jim.
Die Verzögerung war in der Tat unvermeidlich gewesen. Carolinus war aus dem Raum mit dem Riß in der Außenmauer einfach verschwunden und hatte offensichtlich vollkommen vergessen, daß er ursprünglich auch Jim auf
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