Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
sein. Das war Eure Idee, nicht wahr? Es so einzurichten, daß wir einen Blick auf Sir Renel erhäschen?«
»Und wann habt Ihr diese wilden Vorstellungen entwickelt?« fragte Ibn-Tariq.
»Wie ich schon sagte - in dem Moment, als ich von dem Spalt in der Wand des Zimmers, das eine Verbindung zu Murads Palast hat, auf Euch hinunterschaute«, antwortete Jim. »Wenn Ihr wußtet, daß Murad Sir Geoffrey war, weshalb habt Ihr dann so mit ihm geredet, obwohl Euch ansonsten doch nur Brian, ich selbst und Baiju zuhörten?«
»Dann glaubt Ihr also«, sagte Ibn-Tariq, »ich hielte mich für einen zweiten Sala-ad-Din, wolle mir wie Alexander der Große von Ägypten aus die halbe Welt mit Feuer und Schwert Untertan machen und dann weinen, weil es nichts mehr zu erobern gibt?«
»Nein, das denke ich nicht«, entgegnete Jim barsch. »Ich glaube, Ihr verfolgt eine weitaus näherliegende Absicht. Ihr wollt den Hort der Assassinen Wiederaufleben lassen und ihre Macht vergrößern, indem Ihr sie mit Eurer Hexerei verbindet. Folglich werdet Ihr jüngere, noch unerfahrene Hexer dazu bewegen wollen, mit den anderen, noch zu gründenden Gemeinschaften der Assassinen zusammenzuarbeiten. Ihr wärt der Lehrmeister dieser Novizen, der Schattengroßmeister der Hexer, auf die sich die Macht aller Großmeister der Assassinen gründen würde.«
»Ihr phantasiert«, sagte Ibn-Tariq.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Jim. »Ihr phantasiert, und zwar von einem Reich. Aber Ihr habt hier im Weißen Palast gerade erst damit begonnen, es aufzubauen. Ihr habt Eure Macht dadurch begründet, daß Ihr Hassan damals, als er noch ein Sufi war, Macht und Reichtum versprochen habt. Wenn er die Führerschaft über diesen Hort der Assassinen übernähme, würdet Ihr ihm zu noch größerer Macht verhelfen. Dies fiele Euch leicht, da Ihr die Assassinen mit Euren Zauberkunststückchen beeindrucken könntet.«
»Nichts als Vermutungen.«
»Keineswegs«, entgegnete Jim. »Hassan war auf seine Art ein guter Mensch, aber Ihr habt ihn verdorben. Der Weiße Palast hat überdauert und ist seitdem gewachsen; gleichwohl würde die Keimzelle Eures neuen Reiches einem Angriff der Mongolen wohl kaum standhalten. Deshalb sollten Baiju, Brian und ich unser Leben lassen, während Hassan nach wie vor durch den Fluch an Euch gebunden bliebe.«
»Ihr vermengt Wahrheit und Lüge«, meinte Ibn-Tariq kühl. »Wie Ihr wißt, steht Hassan ad-Dimri unter keinem Fluch. Der Fluch lastet auf Sir Geoffrey.«
»Ja«, erwiderte Jim. »Allerdings gibt es einiges, was Ihr als Hexer über Flüche nicht wißt, denn sonst hättet Ihr die Finger davon gelassen. Flüche sind wie eine bösartige Krankheit. Wen sie einmal befallen haben, den verzehren sie. Ihr habt die Anzeichen bei Hassan zu spät entdeckt, um ihn noch zu heilen. Indem Ihr ihn dazu überredet habt, sich zum Anführer der Assassinen aufzuschwingen, habt Ihr seinen Glauben untergraben. Damit setzte bei ihm der Verfall ein, der ihn immer mehr schwächte. Als kraftloser Mensch wäre er wertlos für Euch gewesen. Deshalb habt Ihr den Fluch auf Sir Geoffrey übertragen und all die Reichtümer, die Ihr ihm versprochen hattet, auf magische Weise in Murads Haus in Palmyra verfrachtet, das aufgrund Eures Zaubers nur einen Katzensprung vom Weißen Palast entfernt liegt.«
»Sir Geoffrey ist ein Christ«, sagte Ibn-Tariq. »Wie hätte ich als muslimischer Hexer einen Fluch auf ihn übertragen sollen?«
»Ihr seid dazu wirklich nicht imstande«, sagte Jim. »Ein muslimischer Hexer vermag keinen Christen zu verhexen, ein Christ keinen Muslim, und das gilt auch für Heilige ihres jeweiligen Glaubens. Und Kelb hätte es ebenfalls nicht vermocht. Aber ist Kelb überhaupt Kelb?«
»Nein!« Die dröhnende Stimme hallte von den Wänden und der Kuppeldecke wider - und wo eben noch Kelb gewesen war, stieg eine Rauchwolke auf, und dann blieb nur noch die Stimme übrig...
»Ich bin Sakhr al-Dschinni! Kelb war stets der niedrigste meiner Sklaven und ist es immer noch. Ich habe auf Zypern seine Gestalt angenommen, um Euch zu beobachten. Salomon, Davids Sohn, sperrte mich einst in eine Flasche und warf diese ins Meer. Nun aber bin ich wieder frei. Ihr habt es mit keinem schwachen Dämon oder Hexer zu tun, sondern mit Sakhr al-Dschinni, dem Dschinn der Dschinne!«
Der Rauch verflüchtigte sich, und dahinter kam die unsagbar häßliche Gestalt mit dem Turban, dem dritten Auge und dem schiefen Mund zum Vorschein, die Jim und Kob bereits auf Zypern
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