Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
aufhörte. Der Glockenschlag wiederholte sich immer wieder, so regelmäßig wie ein Metronom.
Jim blickte sich verwundert um. Die pelzigen Gestalten schienen am Boden festgefroren zu sein. Einen Augenblick lang standen sie bewegungslos da, dann verschwanden sie zwischen den steinernen Pfeilern der Höhle. In kurzer Zeit war keiner von ihnen mehr zu sehen.
»Im Namen Gottes«, sagte Brian, »das klingt so wie eine Kirchenglocke. Was ist es nur?«
Jim hatte keine Antwort darauf. Brian ritt vor, bis er mit Hill auf einer Höhe war, und schrie den kleinen Mann fast an.
»Was ist das?« verlangte er zu wissen. Hill ritt einfach weiter und reagierte nicht. Kob auf Jims Schulter rief Brian etwas zu, bevor Jim selbst sprechen konnte.
»Sir Brian! Hill hat geantwortet!«
»Und was hat er gesagt?« fragte Brian und sah zurück.
»› Es sind meine Freunde ‹«, rief Kob.
»Ich wußte es!« sagte Brian und zügelte Blanchard, so daß
Jim zu ihm aufschließen konnte. »Er ist hier kein Fremder! Nun müssen wir nicht länger zweifeln.«
»Ja«, stimmte Jim grimmig zu. »Und vielleicht ergeben die Dinge nun endlich einen Sinn.«
»Es ist auch höchste Zeit«, sagte Brian. Er sah Jim ernst an.
»Ich erinnere mich«, fuhr er fort, »daß Ihr die Dame mit dem Vater und dem Bruder, die im Wald so plötzlich wieder verschwanden, kennt. Gehört sie irgendwie dazu?«
»Ich glaube nicht. Aber Ihr habt recht, ich kenne sie. Es war Agatha Falon, Roberts Tante.«
»Aber sie trug einen Schleier. Woran habt ihr sie erkannt?«
»Ich hatte sie schon früher ein Messer führen sehen. Erinnert Ihr Euch? Ich habe Euch vom Weihnachtsfest des Grafen erzählt. Angie traf sie in unserem Zimmer an. Agatha versuchte, Robert zu ersticken. Als Angie hinzukam, ging Agatha mit dem Messer auf sie los. Glücklicherweise kam ich gerade in diesem Augenblick hinzu und konnte ihr die Klinge abnehmen.«
»Ach ja. Das habt Ihr mir erzählt. Schade, daß Agatha keinen Ehemann hat, mit dem Ihr die Sache hättet ausfechten können!«
»Sie hat nicht nur keinen Ehemann«, sagte Jim, »sondern kam im Gefolge des jungen Prinzen Edward, da sie seit einiger Zeit in der Gunst von Seiner Majestät, dem König, stand. Sie bestand darauf mitzukommen, obgleich der Prinz nichts mit ihr zu schaffen haben wollte. Sie bat den König, sie gehen zu lassen – und natürlich erfüllte er ihr den Wunsch.«
»Nun, wenn nicht mit ihrem Ehemann, dann mit ihrem Fürsprecher«, wiegelte Brian ab. »So, die Angelegenheit wurde also heruntergespielt. Es war nachlässig von mir, nicht mit Euch darüber zu sprechen. Der Form wurde nicht Genüge getan. Sicherlich hätte sie jemanden finden können, der sich Euch in ihrem Namen gestellt hätte. Was wäre gewesen, wenn sie Angela getötet hätte?«
»Die Sache lag nicht so einfach, wie es den Anschein hat«, sagte Jim. »Denkt daran, daß sie eine Favoritin des Königs war und, wie mir scheint, auch wieder ist. Ein Zweikampf hätte uns mehr geschadet als genutzt.«
»Nichtsdestotrotz…«, sagte Brian und schob trotzig sein Kinn vor.
Sie ritten abwärts und weiter abwärts. Dabei wurden sie von dem Glockenklang begleitet. Die Beschaffenheit des Weges änderte sich einmal mehr. Er schien sich zu verbreitern, jetzt, da sie den Wald aus Stalagtiten und Stalagmiten hinter sich ließen. Das Licht kam erneut aus den Steinwänden zu ihren Seiten, und auch die Decke war wieder sichtbar, obwohl dieser Abschnitt der Höhle sowohl höher als auch breiter als der erste Tunnel schien.
Der Regelmäßigkeit des Glockentons und des Hufgetrappels verschmolz in Jims Geist zu einem einschläfernden Rhythmus.
Niemand sprach. Dafydd war ohnehin nie sehr gesprächig, und auch Brian blieb oft still, wenn er nicht von starken Gefühlen ergriffen wurde.
Jims Gedanken glitten von Thema zu Thema. Auf ihrer ganzen Reise hatten sie bisher keinen einzigen Hinweis darauf erhalten, daß sie in die richtige Richtung gingen, um Robert zu finden. Dennoch hatte sich alles richtig angefühlt. Sofern Carolinus' Andeutung sich als wahr erwies, daß ein Magier fühlen konnte, wenn Magie gegen ihn eingesetzt wurde… Vielleicht wurde Jim tatsächlich von eben diesem Gefühl geleitet.
Aber wie paßte das damit zusammen, daß er hier in diesem unterirdischen Königreich seine Magie nicht einsetzen konnte?
Da war noch etwas anderes, das ihn beunruhigte. In Lyonesse, einem Ort, von dem er vorher nicht gedacht hätte, daß er ihn je aufsuchen würde, war er in einen
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