Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
verwirren. Ihr habt das der Heiligen Mutter Kirche zum Trotz getan, die Euch daher als verflucht betrachtet. Wir, der Gerichtshof, bestimmen daher, daß Ihr wegen Verrats ausgeweidet, wegen Hexerei gehenkt und wegen Verbrechen gegen die Kirche geköpft werdet…«
Die Oberlippe des Grafen kräuselte sich, und er spuckte erneut aus, genau auf die Füße des Mannes, der das Urteil verlas. Dieser brach ab und trat einen Schritt zurück.
»Weiter«, befahl der Graf von Oxford.
Der Schreiber las weiter vor.
»…und da Eure Taten die gesamte Ritterschaft entehrt haben, bestimmt das Gericht, daß Ihr mit Eurem Wappenrock gevierteilt werdet, so daß Euer Name und Euer Wappen für immer zerstört werden!«
»Neiiiin!« heulte der Graf plötzlich und begann sich wie ein Verrückter gegen die sechs Bewaffneten zur Wehr zu setzen, die versuchten, ihn zu knebeln und ihn gleichzeitig daran zu hindern, die Richter anzugreifen – was kein leichtes Unterfangen war, da Cumberland groß und kräftig war.
»Mein Wappen! Mein Name! Das könnt Ihr mir nicht nehmen! Ihr habt nicht das Recht…«
Der Knebel brachte ihn schließlich zum Schweigen. Die Bewaffneten zerrten den Grafen fort.
Kapitel 38
JIM BLICKTE DEN GAFEN ENTSETZT AN.
Die magische Illusion war aus und vorbei, und wenn Cumberland jetzt einfach hochschaute, würde er nichts als Malencontris Halle sowie die Bewaffneten Sir Simons sehen, die zwischen den Tischen standen und dabei unsicher und unglücklich aussahen.
Aber der Graf blickte nicht auf. Er war in seinem Stuhl zusammengesunken und barg das Gesicht in den Händen, gab heisere, erstickte Laute von sich, die – nach einem Leben, in dem er nie eine Schwäche gezeigt hatte, damit sie von niemandem ausgenutzt werden konnte – vermutlich das Beste waren, was er an Schluchzern hervorbringen konnte.
Jim hätte nie geglaubt, daß die von ihm geschaffenen Illusionen eine solche Wirkung zeitigen würden und die letzten Worte des Urteilsspruchs eine solche Veränderung in einem Mann in Gang setzen könnten, der noch Sekunden zuvor vor dem ihn verurteilenden Gericht ausgespuckt hatte. Er hatte nicht nur die Richter verachtet, sondern auch die Strafe des Ausweidens – die bedeutete, daß er, nachdem man ihn aufgehängt und fast zu Tode stranguliert hatte, noch lebend wieder abgenommen wurde, damit ihm dann der Bauch aufgeschlitzt werden konnte, bevor man ihn danach erneut und diesmal endgültig erhängte.
All das hatte Cumberland verlacht. Aber das Wissen, daß sein Wappen und damit alle heraldischen Aufzeichnungen über ihn für immer vernichtet wurden, hatte auch ihn gebrochen.
Jim konnte es kaum glauben. Er hatte doch nur einen Urteilsspruch, der über Sir Hugh Despenser im Mittelalter von Jims eigener Welt verhängt wurde, umformuliert.
Aber Sir Hugh war nur ein Günstling des Königs gewesen.
Cumberland hingegen war von königlichem Blute und der Halbbruder eines Königs, und er hatte zudem einen ausgezeichneten Ruf als Ritter und Krieger. Es zählte allein, was er war und was er getan hatte, genau wie es bei Brian oder Chandos der Fall gewesen wäre. Mit diesen wenigen Worten war alles, was er in seinem Leben geschaffen hatte, weggewischt worden.
Jim erhaschte eine Bewegung auf dem Podest. Angie hatte instinktiv einen Schritt in Richtung auf den Grafen gemacht. Aber als er sich umdrehte, um genauer hinzuschauen, sah er, daß KinetetE dazwischengetreten war.
»Nein, Angie«, sagte KinetetE.
»Nein?« wiederholte Angie.
»Er würde es nicht verstehen.« KinetetE blickte sie mitfühlend an. »Wenn Ihr seine Mutter oder seine Schwester wärt, dann vielleicht… aber jeder Versuch Eurerseits, ihn zu trösten, die Ihr keine Beziehung zu ihm habt – und schlimmer noch, mit einem anderen Mann verheiratet seid –, würde er nicht verstehen. Vielleicht sollte ich sogar sagen, daß er es vollkommen mißverstehen würde. Er dächte, daß Ihr Euch über seinen Fall lustig macht. Er kennt das Gefühl nicht, das Euch gerade bewegt. Das ist bei den meisten in dieser Welt so.«
»Ich kann es nicht glauben!« widersprach Angie. »Menschen werden damit geboren. Mitleid…«
»Nein, niemand wird damit geboren. Man lernt es, schaut esbei Älteren ab. Die Menschen aus unserer Welt sind in dieser Hinsicht erst auf halbem Wege. Sie haben Mitleid mit engen Verwandten oder Freunden oder jenen, die sie lieben, aber niemals für einen Fremden. Seht nur…«
KinetetE hatte eine Hand auf Angies Arm gelegt und drehte sie
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