Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
etwas in der fremden Sprache, und die Kutsche wendete, die Lanzenreiter umringten ihn, und sie alle zogen fort, zurück auf der Straße, auf der sie gekommen waren.
In der Zwischenzeit hatte Dafydd sich den blaugekleideten Bogenschützen zugewandt. Beginnend mit dem, der Dafydd am nächsten war, kamen sie einzeln den Hügelkamm und den anschließenden Abhang hinunter. Einer ging in einigem Abstand hinter dem anderen, fast in einer Linie.
»Sir James, Sir Brian«, sagte Dafydd, ohne sie anzusehen, »Ihr würdet mir einen Gefallen tun, wenn Ihr zu den Pferden ginget.«
»Aber sicher, Dafydd«, antwortete Jim.
Er und Brian saßen auf und beobachteten die Szene. Sie waren nur zwanzig Meter entfernt und sahen zu, wie einer der blaugekleideten Bogenschützen nach dem anderen zu Dafydd trat.
Jeder nahm etwa drei Schritte vor Dafydd die Kappe ab, trat dann noch näher heran, ließ sich schließlich auf ein Knie nieder und hielt den Kopf gesenkt. Dafydd streckte seine linke Hand aus und umschloß mit ihr jeweils die rechte Schulter eines Bogenschützen und drückte leicht zu. Kein Wort wurde gewechselt. Dafydd ließ los, der Bogenschütze stand auf, setzte wieder die Stoffkappe auf, trat einen Schritt zurück, drehte sich um und ging. Dann kam der nächste.
Einer nach dem anderen kamen sie. Als das Ganze anfing, hatte Jim nicht daran gedacht zu zählen, aber als er es dann doch noch tat, kam er bis knapp über hundert. Nun kamen nur noch wenige blaugekleidete Gestalten, und bald war das Zeremoniell vorüber. Jene, die vor Dafydd gekniet hatten, waren über den Hügelkamm gegangen und verschwunden. Jim dachte an die Menschenmenge, die sie hierher begleitet, sich aber zurückgezogen hatte, als die Leute des Königs erschienen. Jim sah sich um. Sie waren jetzt ebenfalls fort.
Als Jim sich wieder umwandte, setzte gerade der letzte Bogenschütze seine Kappe auf, drehte sich um und ging. Nachdem er verschwunden war, kam Dafydd zu Jim und Brian zurück und bestieg wortlos und mit unbewegtem Gesicht sein Pferd.
»Laßt uns weiterreiten!« sagte Brian.
Über ihnen schien eine unwirkliche Sonne, mehrere hundert Faden tief unter dem Meeresspiegel, und ging Richtung Westen langsam unter.
Sie nahmen die Zügel auf und ritten die Straße hinunter, Jim und Brian rechts und links neben Dafydd. Dieser hockte auf dem Pferd, tief in Gedanken versunken. Seine Augen blickten ins Leere.
Die Stille war vollkommen. Jim merkte, wie ein widerspenstiger, dem zwanzigsten Jahrhundert zugehöriger Teil von ihm gegen den übernatürlichen Schrecken des Königs vor Lyonesse rebellierte. Er wußte, daß in dieser Welt Magie existierte – wer sonst hätte es besser wissen sollen? Und doch gab es schreckliche Dinge, die sich jeder Erklärung entzogen.
»Danke, Sir Brian, Sir James«, sagte Dafydd plötzlich und unerwartet.
»Hah!« sagte Brain – ein einsilbiger, unpassender Laut.
»Nichts zu danken, Dafydd«, meinte Jim.
Dafydd verfiel erneut in Schweigen, und sie ritten wortlos bis zur nächsten Wegbiegung weiter. Dann sprach Dafydd erneut und ebenso unerwartet wie zuvor.
»Es ist nur recht, daß ihr erfahrt, was mir der König gesagt hat, jetzt da ihr versprochen habt, nichts von dem, was ihr hier seht oder hört, einem anderen zu erzählen.«
»Das ist nicht nötig, verdammt noch mal!« sagte Brian.
»Nichtsdestotrotz würde ich es gern berichten. Macht es
Euch etwas aus zuzuhören?«
»Natürlich nicht«, antwortete Jim.
»Das meiste davon«, sagte Dafydd und sah angelegentlich die Ohren seines Pferdes an, »was er erwähnte, hatte mit meiner uralten Abstammungslinie zu tun und mit jenen von meinem Blut, die immer noch existieren – wie ihr gesehen habt. Aber das war noch nicht alles. Er ist der König des Landes. Die Königswürde wurde immer, solange das Volk sich erinnern kann, in direkter Linie weitergegeben. Aber diese Linie ist erloschen…«
Ohne Vorwarnung schienen sie eine unsichtbare, unfühlbare Mauer zu passieren. Nichts um sie herum hatte sich augenscheinlich verändert. Die Sonne strahlte so hell wie zuvor von demselben Himmel, aber dennoch…
»Wir nähern uns der Grenze zu Lyonesse«, erklärte Dafydd. »Um fortzufahren: Seine Linie schwand zusammen mit seinen Kindern. Alle seine drei Söhne starben, zwei noch bevor sie das Mannesalter erreicht hatten, und seine zwei Töchter erkrankten an einer Krankheit, die niemand in diesem Land kannte, und starben ebenfalls, weniger als ein Dutzend Winter zuvor. Kein Enkel
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